Deckung von Nichtberufsunfälle

2. September 2013

Deckung von Nichtberufsunfälle

Es kommt manchmal vor, dass eine teilzeitbeschäftigte Person unregelmässig arbeitet und ihre wöchentliche Arbeitszeit teils weniger und teils mehr als acht Stunden beträgt und sich die Frage stellt, ob sie nun gegen Nichtberufsunfälle (NBU) obligatorisch versichert ist oder nicht. Das Bundesgericht hat in einem neueren Entscheid (8C_859/2012 vom 29.7.2013) zu dieser Frage erstmals wie folgt Stellung genommen: Die Deckung von NBU ist für unregelmässig teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer dann zu bejahen, wenn entweder die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit mindestens acht Stunden beträgt oder die Wochen mit mindestens acht Stunden überwiegen.

Gesetzliche Regelung

Gemäss Bundesgesetz und Verordnung über die Unfallversicherung (UVG 7/2 und 8/2; UVV 13) sind die teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, die nicht mindestens acht Stunden pro Woche beim gleichen Arbeitgeber beschäftigt sind, nicht gegen NBU versichert; sie sind nur gegen Berufsunfälle versichert. Jedoch gelten dann auch Unfälle auf dem Arbeitsweg als Berufsunfälle.

Kriterien für die Bemessung des Arbeitspensums

Arbeiten teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer unregelmässig manchmal mehr und manchmal weniger als acht Stunden pro Woche, stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien ihr Arbeitspensum zu bemessen ist. Nach bisheriger Rechtsprechung und Lehre können grundsätzlich zwei Methoden zur Anwendung kommen, einerseits die Methode der wochenweisen Betrachtung und andererseits die alternative Durchschnittsmethode. Welche der beiden Methoden den Vorzug verdient, musste das Bundesgericht bisher noch nie entscheiden. Nach der ersten Methode sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer jede einzelne Woche, in der sie mindestens acht Stunden arbeiten, gegen NBU versichert und begründen in den übrigen Wochen keine Versicherung für NBU. Diese Methode ist zwar klar, hat aber wesentliche Nachteile. Abgesehen davon, dass mit ihr bei Arbeit auf Abruf jeweils zu Beginn einer Woche noch kein Versicherungsschutz für NBU besteht, da noch unsicher ist, ob sich das Arbeitspensum bis Ende Woche auf acht Stunden erhöhen wird, haben teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer auch keine langfristige Klarheit über ihren Deckungsumfang. Von einem Teil der Lehre wird daher die Meinung vertreten, dass zur Berechnung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit ein genügend langer und somit repräsentativer Zeitraum herangezogen werden soll. In diesem Zusammenhang ist die Ad-hoc-Kommission Schaden UVG, in der mehrere private Versicherer vertreten sind, zu erwähnen. Gegründet worden mit dem Ziel, dass die verschiedenen Organisationen das UVG einheitlich anwenden, gibt sie Empfehlungen ab (zu finden im Internet unter der Adresse www.svv.ch/de/search/apachesolr_search/7/87). Sie hat am 4.9.1987, revidiert am 17.11.2008, für Unfallversicherer die Empfehlung Nr. 7/87 „Unregelmässig Beschäftigte“ für die Anwendung von UVG 13/1 erstellt. Danach ist für unregelmässig teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer die Deckung für NBU gegeben, wenn eines der beiden folgenden Kriterien erfüllt ist: Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitsdauer beträgt mindestens acht Stunden oder die Wochen mit mindestens acht Arbeitsstunden überwiegen.

Berechnung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit

Gemäss der erwähnten Empfehlung zählen bei der Berechnung der wöchentlichen Arbeitszeit vorab die effektiv geleisteten Stunden. Lässt sich damit keine NBU-Deckung bewerkstelligen, werden tageweise Ausfallstunden wegen Krankheit oder Unfall durch die durchschnittliche tägliche Arbeitszeit – aufgerundet auf die nächste volle Stunde – ergänzt. Weitere Ergänzungen z.B. wegen Militär, Feier- oder Urlaubstage, sind nicht zulässig. Wochen, in denen überhaupt nicht gearbeitet wurde, fallen ausser Betracht, oder mit anderen Worten, nur die Wochen, in denen der Arbeitnehmer tatsächlich gearbeitet hat – wenn beispielsweise auch nur eine Stunde – kommen in die Berechnung. Zudem sind nur ganze Wochen zu beachten. Fällt Beginn bzw. Ende der relevanten Periode zwischen zwei Wochenenden, bleiben diese angebrochenen Wochen unberührt. Schliesslich erstreckt sich die Berechnung über eine lange Periode (die letzten drei oder zwölf Monate vor dem Unfall), wobei die für den Arbeitnehmer günstigere Variante zählt. Bei befristeten Arbeitsverträgen ist für die Beurteilung der NBU-Deckung auf die vereinbarte Dauer des Arbeitsverhältnisses abzustellen.

Beispiel: Ein unregelmässig teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer arbeitete während der Referenzperiode von drei Monaten wöchentlich folgende Anzahl Stunden: 6, 4, 8, 0, 4, 8, 9, 4, 8, 4, 9, 8 (insgesamt 11 Arbeitswochen). Dies ergibt folgenden Wochendurchschnitt: 72:11=6,5 Stunden (keine NBU-Deckung). Das Verhältnis der Wochen mit mindestens acht Stunden zu weniger als acht Stunden beträgt 6:5 (gegen NBU gedeckt). Da die für den Arbeitnehmer günstigere Variante zählt, ist sein NBU gedeckt. Weitere Berechnungsbeispiele finden sich im Internet in der genannten Empfehlung 7/87.

Die Empfehlungen dieser Kommission sind weder Verwaltungsverfügungen noch Weisungen der Aufsichtsbehörde an die Durchführungsorgane des Gesetzes. Sie begründen keine neuen rechtlichen Bestimmungen. Auch wenn sie nicht ohne Bedeutung sind unter dem Blickwinkel der Gleichbehandlung der Versicherten, binden sie den Richter nicht. Gemäss Bundesgericht stellt die Empfehlung Nr. 7/87 der Kommission Kriterien auf, die einfach anzuwenden sind. Sie erlaubt und sichert, wenn immer möglich, dass die Versicherten gleich behandelt werden. Durchschnittsberechnungen während einer Dauer von drei oder zwölf Monaten kommen der Realität am nächsten. Eine solche Regelung scheint nicht gegen das Gesetz zu verstossen, insofern sie den Versicherern vorschreibt, nur die effektiven Arbeitswochen zu zählen.

Kommentar

Die gewählte Methode mag auf den ersten Blick ziemlich klar erscheinen. Doch das Bundesgericht bleibt teilweise unklar oder äussert sich gar nicht zur Frage, welche tageweise Ausfallstunden durch die durchschnittliche Arbeitszeit zu ergänzen sind. Im Gegensatz zur Empfehlung der Kommission ist das Bundesgericht der Ansicht, dass nicht nur Ausfallstunden infolge Krankheit oder Unfall zu ergänzen sind, sondern auch solche infolge Militärdienst, Ferien etc. Ob es mit „etc.“ auch den Mutterschaftsurlaub oder die Erfüllung anderer gesetzlicher Pflichten als der Militärdienst – z.B. die Betreuung kranker Kinder – meinte, ist nicht ersichtlich.

Ist nicht klar, ob eines der beiden genannten Kriterien für die NBU-Deckung erfüllt ist, ist der Arbeitgeber aufgrund der nach wie vor bestehenden Unsicherheiten gut beraten, den betreff enden Arbeitnehmer mit dessen Einverständnis auch gegen NBU zu versichern. Einerseits ist die Prämie nicht sehr hoch, und andererseits kann diese in der Regel dem Arbeitnehmer belastet werden.

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