Arbeitszeugnis

1. Oktober 2018

 Arbeitszeugnis

Immer wieder stellt sich die Frage, ob Abwesenheiten während der Anstellungsdauer im Arbeitszeugnis erwähnt werden dürfen und müssen. Generell ist dies dann zu bejahen, wenn sie im Verhältnis zur gesamten Vertragsdauer erheblich ins Gewicht fallen und daher ohne Erwähnung bezüglich der erworbenen Berufserfahrung ein falscher Eindruck entstünde. Massgebend sind dabei immer die Umstände des Einzelfalls.

„Aus gesundheitlichen Gründen an der Arbeitsleistung verhindert“

Dem Urteil 4A_574/2017 des Bundesgerichts lag ein Arbeitsverhältnis zu Grunde, das von 2003 bis 2013 dauerte, wobei der Arbeitnehmer ab April 2009 stellvertretender Geschäftsführer war. Unbestritten ist, dass der Arbeitnehmer vom 1. Januar bis Mitte Juli 2013 infolge eines Burnouts krankgeschrieben war. Das Arbeitszeugnis enthielt ursprünglich die Bemerkung, dass der Arbeitnehmer seit dem 1. Januar 2013 keine Tätigkeit mehr für die Arbeitgeberin ausgeführt habe und in der Folge freigestellt wurde. Der Arbeitnehmer verlangte die Streichung dieser Bemerkung. Für die erste Instanz kam jedoch eine ersatzlose Streichung nicht in Frage, da ein Arbeitszeugnis zwar wohlwollend, aber korrekt abzufassen sei. Die Formulierung, der Arbeitnehmer sei 2013 längere Zeit aus gesundheitlichen Gründen an seiner Arbeitsleistung verhindert gewesen, erscheine angebracht. Die zweite Instanz teilte die Auffassung der ersten Instanz. Der Arbeitnehmer verlangte vor Bundesgericht, dass auch der vom Gericht formulierte Satz ersatzlos gestrichen werde. Er machte insbesondere geltend, seine krankheitsbedingte Absenz habe nur 6,5 Monate gedauert, also im Verhältnis zur neunjährigen Arbeitstätigkeit zu wenig lang, um im Arbeitszeugnis erwähnt werden zu dürfen. Seiner Ansicht nach dürfe eine krankheitsbedingte Absenz erst erwähnt werden, wenn sie mindestens einjährig und bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht absehbar gewesen sei.

Der ersten Instanz folgend erachtete die zweite Instanz eine halbjährige, weitgehend ununterbrochene krankheitsbedingte Absenz auch in Relation zu einer neunjährigen Tätigkeit als erheblich. Zudem sei bei einem Arbeitnehmer in der Funktion als stellvertretender Geschäftsführer davon auszugehen, dass eine solche Absenz einen erheblichen Einfluss auf die Leistung gehabt habe. Die zweite Instanz habe dem Arbeitnehmer zu Recht vorgehalten, den von ihm zitierten BGE 4A_187/2010 (136 III 510) – vgl. Arbeitsrecht Nr. 143 - November 2010 – bloss unvollständig wiedergegeben zu haben respektive diesem Urteil eine Aussage entnommen zu haben, die es nicht enthält. In der einschlägigen E. 4.1 dieses Urteils wird u.a. ausgeführt, längere Arbeitsunterbrüche seien im Arbeitszeugnis zu erwähnen, auch wenn sie krankheitsbedingt gewesen seien, sofern sie im Verhältnis zur gesamten Vertragsdauer erheblich ins Gewicht fallen würden und daher ohne Erwähnung bezüglich der erworbenen Berufserfahrung ein falscher Eindruck entstünde. Die zweite Instanz ging gemäss Bundesgericht zutreffend von dieser Rechtslage aus. Ihre Wertung, wonach im konkreten Fall eine halbjährige krankheitsbedingte Abwesenheit als erheblich einzustufen ist, wird vom Arbeitnehmer nur mit dem unzutreffenden Hinweis auf eine vermeintliche Mindestabwesenheitsdauer von einem Jahr beanstandet. Gerade weil er „erst“ im April 2009 stellvertretender Geschäftsführer wurde und die gesamte krankheits- und freistellungsbedingte Absenz in die Zeit fiel, in der er diese Position innehatte, würde eine Nichterwähnung zu einem unzutreffenden Eindruck bezüglich der von ihm diesbezüglich erworbenen Berufserfahrung führen.

Nennung der Abwesenheitsgründe „Krankheit und Mutterschaft“

Dem Urteil 8C_134/2018 des Bundesgerichts lag ein Arbeitsverhältnis einer Gerichtsschreiberin beim Bundesverwaltungsgericht zu Grunde. Gestützt auf Art. 6 Abs. 2 des Bundespersonalgesetzes (BPG) gelten sinngemäss die einschlägigen Bestimmungen des OR, soweit das BPG und andere Bundesgesetze nichts Abweichendes bestimmen. Deshalb ist im vorliegenden Fall für das öffentlich-rechtliche Arbeitsverhältnis OR 330a anwendbar. Ein qualifiziertes Zeugnis bzw. Vollzeugnis soll einerseits das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers fördern und deshalb wohlwollend formuliert werden. Andererseits soll es künftigen Arbeitgebern ein möglichst getreues Abbild von Tätigkeit, Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers geben, weshalb es grundsätzlich wahr und vollständig zu sein hat. Ein qualifiziertes Zeugnis darf und muss daher bezüglich der Leistungen des Arbeitnehmers auch negative Tatsachen erwähnen, soweit diese für seine Gesamtbeurteilung erheblich sind. Dies trifft auf eine Krankheit zu, die einen erheblichen Einfluss auf Leistung oder Verhalten des Arbeitnehmers hatte oder die Eignung zur Erfüllung der bisherigen Aufgaben in Frage stellte und damit einen sachlichen Grund zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses bildete. Gemäss Lehre dürfen gegen den Willen des Arbeitnehmers andere Abwesenheiten wie Militärdienst, Mutterschaftsurlaub oder unbezahlter Urlaub sowie Freistellungen nur erwähnt werden, wenn – wie bei einer Krankheit – die Dauer der Abwesenheit im Verhältnis zur gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses erheblich ins Gewicht fällt und das Zeugnis dadurch an Aussagewert einbüsst.

Im vorliegenden Fall hatte das Arbeitsverhältnis am 1. März 2014 begonnen. Am 25. Mai 2016 wurde es von der Arbeitgeberin fristlos aufgelöst. Wegen der Unrechtmässigkeit der fristlosen Kündigung endete das Arbeitsverhältnis jedoch ordentlich am 31. August 2016. Während der gesamten Anstellungsdauer war die Arbeitnehmerin insgesamt rund 14 Monate wegen Krankheit und Mutterschaft abwesend. Die Absenzen machten folglich fast die halbe Dauer des Arbeitsverhältnisses aus. Da deshalb die Dauer der Abwesenheit im Verhältnis zur Anstellungsdauer zweifellos erheblich ins Gewicht fällt, muss sie im Arbeitszeugnis erwähnt werden. Andernfalls entstünde ein falscher Eindruck bezüglich der vorhandenen Berufserfahrung der Arbeitnehmerin.

Die Arbeitnehmerin beanstandete weder die Nennung der Abwesenheit an sich noch deren Dauer. Sie war jedoch der Auffassung, dass die Begründung für die Absenz “Mutterschaft/Krankheit“ weder wahr noch wohlwollend und deshalb aus dem Arbeitszeugnis zu streichen sei. Gemäss Bundesgericht gebieten jedoch die Grundsätze der Vollständigkeit und der Klarheit, auch die Gründe für die Abwesenheit aufzuführen, wenn Arbeitsunterbrüche erwähnt werden müssen, weil andernfalls ein falsches Bild über die erworbene Berufserfahrung entstünde. Ein potentieller Arbeitgeber wird die Abwesenheit hinterfragen und sich nach den Gründen erkundigen. Entgegen den Ausführungen der Arbeitnehmerin lässt daher nicht die Angabe von Gründen Raum für Spekulationen, sondern im Gegenteil deren Nichterwähnung, was nicht im Interesse der Arbeitnehmerin liegt. Wesentlich ist auch, dass bei einer Frau im gebärfähigen Alter, ob sie nun Mutter ist oder nicht, stets mit der Möglichkeit einer (weiteren) Mutterschaft und entsprechenden Ausfällen zu rechnen ist. Mit Blick auf diesen biologisch bedingten Umstand, der alle Frauen im gebärfähigen Alter betrifft, fällt die Angabe einer schwanger- oder mutterschaftsbedingten Absenz im Zeugnis kaum spürbar ins Gewicht, umso weniger als damit auch positive Effekte – wie die dadurch gewonnenen Erfahrungen – verbunden sein können. Eine behauptete Verletzung des Gleichstellungsgesetzes ist gemäss Bundesgericht nicht ersichtlich.

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