Arbeitszeugnis

1. Juni 2005

Arbeitszeugnis

Der Arbeitnehmer hat nach OR 330a das Recht, vom Arbeitgeber jederzeit ein Arbeitszeugnis verlangen zu können. Obschon dessen Abfassung immer wieder zu Diskussionen und Streitigkeiten führt, gibt es relativ wenige Gerichtsentscheide dazu, insbesondere auf höchstrichterlicher Ebene. Der Entscheid 4C.60/2005 des Bundesgerichts vom 28. April 2005 gibt nun Anlass, einzelne Fragen, die sich immer wieder stellen, etwas genauer anzusehen. 

Kaderzugehörigkeit, Auslandaufenthalte, besondere Leistungen

Im genannten Entscheid machte der Arbeitnehmer geltend, im Zeugnis müsse seine Kaderzugehörigkeit erwähnt werden, obschon er keine Untergebenen gehabt habe. Gemäss Bundesgericht ist nicht entscheidend, ob er im Anstellungsvertrag als Kader bezeichnet wird oder nicht. Es ist also nicht ausschlaggebend, ob der Arbeitnehmer zum Kader gezählt wird, sondern ob er tatsächlich eine Position innehatte, die ein unbeteiligter Dritter als Kaderposition einstufen würde. Ist diese Voraussetzung nicht gegeben, besteht kein Anspruch auf Nennung im Zeugnis. Durch die Bezeichnung als Kader könne bei Dritten der unzutreffende Eindruck entstehen, die besagte Person sei Vorgesetzter anderer Mitarbeiter. Der blosse Hinweis auf die Zeichnungsberechtigung des Arbeitnehmers, ohne Hinweis auf die Zugehörigkeit zum Kader, wurde somit als ausreichend erachtet.

Der Arbeitnehmer verlangte zudem die Erwähnung seiner Auslandaufenthalte im Zeugnis. Da es sich dabei aber um ein blosses Begleiten der Geschäftsführung auf Reisen zur Besichtigung von Produkten und Fabriken gehandelt hat, ist gemäss Bundesgericht eine separate Erwähnung dieser Auslandreisen im Zeugnis nicht notwendig.

Der Arbeitnehmer verlangte weiter, dass seine Leistungen im Einzelnen zu qualifizieren seien, beziehungsweise auf besondere Leistungen, wie auf die erfolgreiche Akquisition von Grossprojekten „im doppelstelligen Millionenbetrag“ und auf seine Leistungen im Marketing-Bereich, hinzuweisen sei. Gemäss Bundesgericht ist dies im Zeugnis nicht zu erwähnen, da seine Aktivität im Marketing-Bereich lediglich einen Einzelfall darstellte.

Sprachwahl

Grundsätzlich hat der Arbeitgeber das Zeugnis in der am Ort des Betriebs üblichen Sprache abzufassen. Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf Übersetzung des Zeugnisses in eine andere Sprache. Für eine allfällige Übersetzung hat er selber zu sorgen. Wenn das Arbeitsverhältnis international ist, ist diejenige Sprache zu wählen, die bereits für Vertrag, Personalreglement etc. gebraucht worden ist.

Wortwahl

Die Formulierung des Zeugnisses ist Sache des Arbeitgebers. Insbesondere ist der Arbeitgeber hinsichtlich Wortwahl und Ausdruck nicht an ein früher ausgestelltes Zwischenzeugnis gebunden, selbst wenn sich die Umstände seither nicht wesentlich verändert haben. Eine Änderung der Formulierung kann der Arbeitnehmer nur verlangen, wenn durch die Wortwahl die Grundsätze der Wahrheit, der Klarheit und des Wohlwollens missachtet werden (Entscheid 4C.129/2003 des Bundesgerichts vom 5. September 2003). Dabei geht die Wahrheitspflicht dem Wohlwollen vor.

Im eingangs erwähnten Bundesgerichtsentscheid enthielt das Zeugnis betreffend Aufgabengebiet u.a. folgende Formulierung: „Selbständiges und regelmässiges Betreuen von bestehenden Kunden, Festigung und Ausbau der Kundenbeziehungen. Ganzheitliche Betreuung der Kunden.“ Der Arbeitnehmer forderte jedoch, dass im Zeugnis die Bezeichnungen „Key-Account-Manager“, „Client Retention Management“ und „trouble-shooting“ erwähnt werden. Das Bundesgericht kommt zum Schluss, dass in der Formulierung des Zeugnisses die Funktionen „Key-Account-Management“ und „Client Retention Management“ enthalten seien und der Arbeitnehmer keine „trouble-shooting“-Funktionen anführe, die nicht enthalten seien. Entgegen der Auffassung des Arbeitnehmers wird die Bezeichnung „Key-Account-Management“ nicht ausschliesslich für Kundenbetreuung aus einer Hand verwendet, sondern auch als Bezeichnung für Grosskundenmanagement, also eine kundenorientierte Form der Marketing-Organisation, bei der ein Kundenmanager für die Betreuung weniger Abnehmer oder nur eines einzigen, allerdings bedeutsamen „Schlüsselkunden“, zuständig ist. Unter „Key-Account-Manager” wird demgemäss ein Haupt- oder Grosskundenbetreuer verstanden.

Abwesenheiten des Arbeitnehmers

Grundsätzlich gehören Angaben über Absenzen des Arbeitnehmers durch Krankheit, Unfall, Militärdienst, unbezahlten Urlaub und dergleichen nicht ins Zeugnis. Erst wenn eine solche Absenzzeit im Verhältnis zu der zu beurteilenden Periode eine gewisse Dimension angenommen hat oder wenn das Arbeitsverhältnis beispielsweise wegen einer Erkrankung des Arbeitnehmers gar aufgelöst werden musste, ist es gerechtfertigt und auf Grund der Wahrheitspflicht sogar geboten, einen Hinweis z.B. wie folgt anzubringen: „Leider konnte der Arbeitnehmer seit ... nicht mehr arbeiten“.

Wahl qualifiziertes Zeugnis - Arbeitsbestätigung

Die in OR 330a eingeführte Möglichkeit, zwischen qualifiziertem Zeugnis und Arbeitsbestätigung zu wählen, soll dem Arbeitnehmer das wirtschaftliche Fortkommen weitest möglich erleichtern. Deshalb kann der Arbeitnehmer nach Erhalt eines qualifizierten Zeugnisses noch eine Arbeitsbestätigung und nach Erhalt einer Arbeitsbestätigung noch ein qualifiziertes Zeugnis verlangen (Entscheid 4C.341/2002 des Bundesgerichts vom 25. Februar 2003).

Einheitliches Schlusszeugnis

Hatte der Arbeitnehmer im Betrieb verschiedene Positionen inne, ist ein einheitliches Schlusszeugnis zu erstellen, das die berufliche Entwicklung des Arbeitnehmers chronologisch festhält. Im Schlusszeugnis darf nicht auf allfällige früher ausgestellte Zwischenzeugnisse verwiesen werden.

Vgl. zum Arbeitszeugnis auch die Publikation „Arbeitsrecht“ Nr. 30 – Juni 2001, wo die Grundsätze festgehalten sind.

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