Betriebsübergangsbedingte Kündigungen

1. März 2011

Betriebsübergangsbedingte Kündigungen

Die Frage, ob Kündigungen aus Anlass eines Betriebsübergangs gültig sind, ist bereits viel und kontrovers diskutiert worden. Nun hat das Bundesgericht im BGE 136 III 552 entschieden, dass eine betriebsübergangsbedingte Kündigung nicht in jedem Fall eine Umgehung von OR 333/1 darstellt, namentlich nicht, wenn sie durch wirtschaftliche Gründe gerechtfertigt ist.

Betriebsübergang

Ein Betriebsübergang gemäss OR 333/1 liegt vor, wenn ein Betrieb oder ein Betriebsteil von der neuen Unternehmensleitung faktisch weitergeführt wird. Die Aktivität gilt dann als ganz oder teilweise weitergeführt, wenn der Erwerber seine Identität, d.h. den Betriebszweck, die Organisation und den individuellen Charakter im Wesentlichen bewahrt. Dies ist auf Grund sämtlicher den Vorgang kennzeichnender Tatsachen und Umstände zu beurteilen. Dabei ist von entscheidender Bedeutung, dass der Erwerber tatsächlich dieselbe oder eine gleichartige Geschäftstätigkeit weiterführt. Bei einem Betriebsübergang gehen die Arbeitsverhältnisse mit allen Rechten und Pflichten mit dem Tag der Betriebsnachfolge auf den Erwerber über, sofern der Arbeitnehmer den Übergang nicht ablehnt. Zweck dieser Regelung ist es, dem Arbeitnehmer die auf Grund der geleisteten Dienstjahre beim früheren Arbeitgeber erworbenen Rechte (Kündigungsfrist, Ferienanspruch, Lohnanspruch bei unverschuldeter Verhinderung an der Arbeitsleistung, Verjährungsfrist usw.) zu wahren. Die im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnisse gehen so automatisch auf den Erwerber über, sogar gegen dessen Willen. Es besteht also eine wirkliche Übernahmeverpflichtung des Erwerbers, und es ist nicht möglich, diese Rechtsfolge durch eine abweichende Vereinbarung zwischen übergebendem und übernehmendem Arbeitgeber auszuschliessen. Jedoch gehen nur die im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnisse auf den Erwerber über. Dieser hat also Arbeitsverträge, die im Zeitpunkt des Übergangs nicht mehr bestehen, nicht zu übernehmen. Folglich können sich nur Arbeitnehmer auf die Rechte aus OR 333 berufen, deren Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt des Übergangs noch nicht beendet ist, einschliesslich derjenigen, deren Vertrag auf einen Zeitpunkt nach dem Übergang gekündigt worden ist. Hingegen geht ein Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers, dessen Arbeitsvertrag auf einen Zeitpunkt vor dem Betriebsübergang gekündigt worden ist, nicht auf den Erwerber über und der Arbeitnehmer kann sich nicht auf OR 333 berufen. Die Arbeitsverhältnisse werden aber übertragen, wenn im Zeitpunkt der Betriebsübernahme die Kündigungsfrist gemäss OR 336c/2, beispielsweise auf Grund von Krankheit, Unfall, Militärdienst oder Schwangerschaft, aufgeschoben wird.

Wirtschaftliche Gründe

Im eingangs erwähnten Entscheid hatte das Bundesgericht zu beurteilen, ob die Kündigung eines Arbeitsvertrags durch den Arbeitgeber aus Anlass eines Betriebsübergangs – eine so genannte betriebsübergangsbedingte Kündigung – gegen die gesetzliche Regelung verstösst oder nicht. Dabei hat sich das Bundesgericht auf Normen des europäischen Rechts bezogen, wonach der Betriebsübergang nicht für sich einen Kündigungsgrund für den Übergeber oder den Erwerber darstellt, was aber Kündigungen aus wirtschaftlichen, technischen oder organisatorischen Gründen mit Veränderungen auf den Stellenplan nicht vereitelt. Eine betriebsübergangsbedingte Kündigung stellt also nicht zwangsläufig einen Verstoss gegen das Gesetz dar. Gemäss Bundesgericht wäre ein solcher gegeben, wenn die Kündigung einzig darauf abzielt, den Übergang der Arbeitsverträge oder seine Konsequenzen zu verhindern. Beispielsweise kann der Übergeber nicht sämtliche oder einen Teil der Arbeitsverträge seiner Angestellten kündigen, damit diese anschliessend neue Verträge mit dem Erwerber abschliessen und somit die Vorteile auf Grund der Dauer ihrer ursprünglichen Verträge verlieren. Ebenfalls nicht zulässig ist es, dass der Übergeber einem Arbeitnehmer oder mehreren Personen kündigt, einzig weil der Erwerber diese nicht will. Hingegen stellen Kündigungen eines Teils des Personals keine Umgehung von OR 333/1 dar, wenn sie durch wirtschaftliche Gründe, z.B. durch eine Reorganisation des übertragenen Betriebs, gerechtfertigt sind.

Im vorliegenden Fall hatte der übergebende Arbeitgeber seit einer gewissen Zeit finanzielle Probleme, der Grund der Verluste war struktureller Natur und der Betrieb konnte so nicht mehr lange gehalten werden. Zudem hatte der übergebende Arbeitgeber nicht mehr die Energie und die unabdingbare Motivation um selber die Situation zu korrigieren. In diesem Zusammenhang ist es gemäss Bundesgericht offenkundig, dass ein Personalabbau eine geeignete Massnahme ist, die finanzielle Lage zu verbessern. Folglich basierten die aus Anlass des Betriebsübergangs ausgesprochenen Kündigungen auf wirtschaftlichen Gründen und es lag kein Verstoss gegen OR 333/1 vor.

Kommentar

Das Bundesgericht hat erfreulicherweise festgestellt, dass betriebsübergangsbedingte Kündigungen nicht generell eine Umgehung von OR 333/1 darstellen, insbesondere dann nicht, wenn sie durch wirtschaftliche Gründe gerechtfertigt sind. Nicht klar beantwortet hat es aber die Frage, welche rechtlichen Konsequenzen eine betriebsübergangsbedingte Kündigung hätte, die mangels wirtschaftlicher, technischer oder organisatorischer Gründe gegen OR 333/1 verstösst. Immerhin hat das Bundesgericht aber festgehalten, dass, da im vorliegenden Fall kein Verstoss gegen OR 333/1 vorgelegen hat, die Kündigung nicht nichtig sein könne. Deshalb ist aus Umkehrschluss wohl davon auszugehen, dass betriebsübergangsbedingte Kündigungen, welche gegen OR 333/1 verstossen, nichtig sind und die betroffenen Arbeitnehmer folglich weiterhin beim Erwerber angestellt sind.

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