Einseitige Unverbindlichkeit oder fristlose Entlassung ?

2. Juni 2014

Einseitige Unverbindlichkeit oder fristlose Entlassung ?

Hat sich eine Partei beim Vertragsabschluss in einem wesentlichen Irrtum befunden oder wurde sie getäuscht, kann sie den Vertrag für von Anfang an unverbindlich erklären. Leistet der Arbeitnehmer in gutem Glauben Arbeit im Dienst des Arbeitgebers aufgrund eines Arbeitsvertrages, der sich nachträglich als ungültig erweist, so haben beide Parteien die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis in gleicher Weise wie aus gültigem Vertrag zu erfüllen, bis dieses wegen Ungültigkeit des Vertrages vom einen oder andern aufgehoben wird (OR 320/3). In diesen Fällen von falschen Angaben oder Verschweigen von Angaben im Bewerbungsverfahren ist es nicht notwendig, eine fristlose Entlassung auszusprechen, und unter Umständen sogar weniger riskant. Da sich der Arbeitgeber im Bundesgerichtsurteil 4A_340/2013 vom 28. März 2014 nicht nur auf die einseitige Unverbindlichkeit berufen hat, sondern auch noch eine fristlose Entlassung ausgesprochen hat, und diese als ungerechtfertigt beurteilt wurde, musste der Arbeitgeber zusätzlich zum Lohn während der ordentlichen Kündigungsfrist noch eine Entschädigung gemäss OR 337c/3 von 24‘000 Franken bezahlen.

Sachverhalt

Ein Arbeitnehmer war seit 1. April 2006 als Geschäftsführer eines Hotels/ Restaurants angestellt. Am 22. November 2006 wurde er fristlos entlassen. Der Arbeitgeber begründete die fristlose Entlassung im Wesentlichen damit, der Arbeitnehmer habe bei der Bewerbung zu Unrecht behauptet, er sei Angestellter der Firma Y. gewesen, obschon er in Tat und Wahrheit arbeitslos gewesen sei. Hätte er davon Kenntnis gehabt, dass diese Angaben wahrheitswidrig gewesen seien, hätte er ihn gar nicht angestellt. Sodann habe sich die Arbeit des Arbeitnehmers nach Ablauf der Probezeit verschlechtert, weshalb der Arbeitgeber am 31. Oktober 2006 eine detaillierte Verwarnung ausgesprochen habe. Darauf sei jedoch keine Verbesserung erkennbar gewesen. Zudem sei ein grosses Alkoholproblem des Arbeitnehmers bekannt geworden. Es sei ein krasser Zerfall von dessen Persönlichkeit eingetreten. Um weiteren Schaden vom Betrieb abzuwenden, habe sofort gehandelt werden müssen und die fristlose Entlassung sei unumgänglich gewesen. Der Arbeitgeber stellte sich zudem auf den Standpunkt, der Arbeitsvertrag sei wegen arglistiger Täuschung bzw. falschen Angaben bei der Anstellung einseitig unverbindlich gemäss OR 28/1, da der Arbeitnehmer verschwiegen habe, dass er in den Jahren 2002 bis 2004 Arbeitslosentaggelder bezog und anschliessend ausgesteuert wurde sowie dass er vor seiner Anstellung längere Zeit nur Teilzeit gearbeitet habe.

Keine einseitige Unverbindlichkeit

Die Vorinstanz ging aufgrund des von der ersten Instanz errechneten, nicht substanziiert bestrittenen Arbeitsumfangs für die Zeit zwischen Dezember 2002 und 31. März 2006 von einem Arbeitspensum von gut 40% beim vorherigen Arbeitgeber aus. Sie war der Ansicht, eine Auskunfts- und Mitteilungspflicht des Arbeitnehmers bezüglich seiner Teilarbeitslosigkeit sei zu verneinen, da nicht ersichtlich sei, inwiefern deswegen bei seiner Anstellung eine konkret absehbare Gefahr einer Arbeitsverhinderung oder wesentlich verminderter Arbeitsleistung bestanden haben soll, zumal er stets in doch bedeutendem Umfang in der Branche arbeitstätig gewesen sei. Die Tätigkeit beim vorherigen Arbeitgeber könne nicht als reine Aushilfstätigkeit qualifiziert und als derart gering betrachtet werden, dass der Arbeitnehmer verpflichtet gewesen wäre, darauf hinzuweisen, dass es sich nicht um eine Vollzeitbeschäftigung handelte. Eine Täuschung bezüglich seiner bisherigen Tätigkeiten und Fähigkeiten sei ebenfalls nicht erstellt, ebenso wenig, dass der Arbeitnehmer aufgrund seiner bisherigen Tätigkeiten und Erfahrungen in der Branche ungeeignet war, die vertragliche Arbeitsleistung ordnungsgemäss zu erbringen. Der Umstand, dass der Arbeitnehmer beim vorherigen Arbeitgeber “bloss“ als Mitarbeiter der Kundenbuchhaltungen tätig gewesen sei, vermöge die Eignung als Geschäftsführer eines Gastwirtschaftsbetriebes nicht auszuschliessen, nachdem er in den vorangegangenen Jahren mehrere Hotelbetriebe geführt und demnach langjährige Erfahrung in der Branche gesammelt habe und seine langjährige Tätigkeit beim vorherigen Arbeitgeber seinen guten Kenntnissen des Gastgewerbes verdankt habe. Die Vorinstanz hielt deshalb den Beweis dafür nicht als erbracht, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber anlässlich seiner Anstellung falsche Tatsachen vorgespiegelt oder Tatsachen verschwiegen hätte, durch welche der Arbeitgeber in einen Grundlagenirrtum versetzt oder gar absichtlich getäuscht worden wäre, so dass eine einseitige Unverbindlichkeit des Arbeitsvertrages vorliegen würde.

Ungerechtfertigte fristlose Entlassung

Die Vorinstanz verneinte auch, dass die Voraussetzungen für eine fristlose Entlassung erfüllt gewesen seien, nämlich einerseits aufgrund der Täuschung durch den Arbeitnehmer im Rahmen der Bewerbung in Bezug auf seine frühere Arbeitslosigkeit, Tätigkeiten und Fähigkeiten, andererseits aufgrund des Verhaltens des Arbeitnehmers während der Anstellungsdauer. Der Umstand, dass der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber verschwiegen habe, dass er in den vorangegangenen Jahren nur Teilzeit gearbeitet und Arbeitslosengelder bezogen habe, bis er ausgesteuert wurde, stelle keine Verletzung der vorvertraglichen Treuepflicht dar. Es sei nicht erwiesen, dass der Arbeitnehmer falsche Angaben über Fähigkeiten, Kenntnisse und frühere Arbeitstätigkeiten gemacht hätte, die einen Bezug zur zugewiesenen Stelle gehabt hätten und bezüglich welcher der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis der Wahrheit gehabt hätte, zumal er bis zu seiner Anstellung tatsächlich, wenn auch nur Teilzeit, beim vorherigen Arbeitgeber gearbeitet und vorher mehrere Gastwirtschaftsbetriebe geführt habe. Was das Verhalten des Arbeitnehmers angeht, sei keine der geltend gemachten Pflichtverletzungen derart massiv gewesen, dass sie zur fristlosen Entlassung ohne vorgängige Verwarnung berechtigt hätten. Auch weniger schwere Pflichtverletzungen hätten nicht bewiesen werden können.

Kommentar

Da der Arbeitgeber keine Bundesrechtsverletzung hinreichend aufzeigen konnte, hat das Bundesgericht seine Beschwerde abgewiesen. Interessant zu wissen wäre, ob der Arbeitgeber im erwähnten Urteil zusätzlich zum Lohn während der ordentlichen Kündigungsfrist keine Entschädigung analog zu OR 337c/3 hätte bezahlen müssen, wenn er keine fristlose Entlassung ausgesprochen, sondern den Arbeitsvertrag lediglich als einseitig unverbindlich erklärt hätte. Wir sind der Ansicht, dass diese Privilegierung gegenüber der fristlosen Entlassung gerechtfertigt wäre, da Willensmängel bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses aufgrund des Bestandesschutzes von Dauerschuldverhältnissen grundsätzlich schwerer wiegen als Gründe, die erst später eingetreten sind. Deshalb empfiehlt sich, nicht zusätzlich zur einseitigen Unverbindlicherklärung noch eine fristlose Entlassung auszusprechen.

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