Fristlose Entlassung wegen Stempeluhrmanipulation

1. Januar 2016

Fristlose Entlassung wegen Stempeluhrmanipulation

Eine Stempeluhrmanipulation ist ein schwerwiegender Verstoss gegen die Treuepflicht des Arbeitnehmers. Im vom Bundesgericht zu beurteilenden Fall (Urteil 4A_395/2015) lagen keine Umstände vor, welche die Schwere der Treuwidrigkeit entscheidend zu relativieren vermochten. Entscheidend war nicht, dass es sich nur um einen Bagatellbetrag handelte, sondern dass ein Treuebruch vorlag. Somit war die fristlose Entlassung gerechtfertigt.

Sachverhalt

Am 21. Mai 2013 kündigte der Arbeitgeber einer seit dem 1. August 2012 angestellten Arbeitnehmerin in der Produktion „fristlos und mit sofortiger Wirkung“. Was war geschehen? Die Arbeitnehmerin hat am 12. und 23. April sowie am 6. Mai 2013 gemäss dem Originalprotokoll des Zeiterfassungssystems um 20.41 bzw. 20.34 bzw. 20.15 Uhr „ausgestempelt“. Dabei hat es sich um Originalbuchungen gehandelt, das heisst mit dem (einzigen) Badge der Arbeitnehmerin am Terminal erfasste Zeiten. Aufgrund der Zeugen- und Parteiaussagen ist davon auszugehen, dass die Arbeitnehmer des Betriebs nach jedem vergessenen Ausstempeln ein Meldeblatt auszufüllen und abzugeben hatten. Ohne Stempelung am Arbeitstag ist am folgenden Tag eine Fehlermeldung erschienen, wenn sich eine Person beim Zeiterfassungssystem anmelden wollte. Im Zusammenhang mit der Abrechnung des Zeitguthabens stellte das Obergericht des Kantons Zug fest, die Arbeitnehmerin selber habe zugegeben, dass sie an diesen drei Tagen „das Ausstempeln wahrscheinlich vergessen“ habe und davon ausgegangen werden könne, dass sie an diesen drei Tagen zwischen 16.00 und 17.00 Uhr nach Hause gegangen sei. Aufgrund all dieser Umstände sei erwiesen, dass die Arbeitnehmerin die Zeiterfassung manipuliert habe; sei es, dass sie ihren Badge einer anderen Person zum Ausstempeln überlassen habe oder sie nach dem frühen Nachhausegehen (ohne Ausstempeln) nochmals zum Ausstempeln zurückgekommen sei.

Das Zeiterfassungssystem funktionierte fehlerfrei

Gemäss den Feststellungen des Obergerichts des Kantons Zug ergeben sich die genannten Ausstempelzeiten aus einer vom Arbeitgeber eingereichten Tabelle, einem Printscreen der vom Arbeitgeber geführten elektronischen Zeiterfassung. Die Arbeitnehmerin bestritt die Originalkonformität dieses Dokuments mit dem Hinweis, eine solche Excel-Tabelle könne jedermann erstellen. Sie vermochte aber nicht darzulegen, aus welchen Gründen das Dokument nicht echt sein soll. Vielmehr sind die ebenfalls eingereichten und unbestrittenen Mitarbeiterprotokolle der Arbeitnehmerin, welche die gleichen Zeiten enthielten, ein starkes Indiz für die Echtheit des Printscreens.

Das Obergericht des Kantons Zug schloss ein blosses Vergessen des Ausstempelns aus, weil der Printscreen Ausstempelzeiten ausweist und solche nur durch das Hinhalten des Badges ausgelöst werden konnten, jedoch nicht durch eine Manipulation im System selber seitens des Arbeitgebers. Die Arbeitnehmerin rügt, es sei eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung, diesbezüglich lediglich auf die Aussagen von dem Arbeitgeber nahe stehenden Personen abzustellen. Sie hat deshalb zu allen technischen Fragen ein Gutachten verlangt. Dass diesem Begehren nicht entsprochen worden ist, ist gemäss Bundesgericht nicht zu beanstanden. Das Interesse einer zeugnispflichtigen Person am Streitausgang schliesst ihre Teilnahme als Zeuge nicht aus. Allfälligen besonderen persönlichen Verhältnissen ist vielmehr im Rahmen der Beweiswürdigung Rechnung zu tragen, wobei auch von Bedeutung sein kann, zu welchen Tatsachen die Aussage erfolgt. Vorliegend ging es nicht um subjektive Wahrnehmungen, die nicht weiter hätten geprüft werden können. Vielmehr mussten sich die Einvernommenen bewusst sein, dass ihre Angaben zum objektiven Funktionieren des elektronischen Systems auch noch mittels eines entsprechenden Gutachtens hätten überprüft werden können. Deshalb und angesichts der Tatsache, dass die Aussagen ordnungsgemäss unter Strafandrohung erfolgten, durfte die Vorinstanz darauf abstellen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass ein elektronisches Zeiterfassungssystem, das aufgrund seiner Funktionsweise Manipulationen seitens des Arbeitgebers zulasten des Arbeitnehmers zuliesse, seinen grundsätzlichen Zweck verfehlen würde. Es ist nicht davon auszugehen, dass ein solches System auf dem Markt verkauft werden könnte. Somit durfte das Obergericht des Kantons Zug zu Recht davon ausgehen, dass die auf dem Printscreen enthaltenen Arbeitszeiten mit dem Badge der Arbeitnehmerin erfasst wurden.

Es gab keinen zweiten Badge

Demzufolge ist von Bedeutung, ob nur ein Badge existierte, wie das Obergericht des Kantons Zug annahm, oder allenfalls ein zweiter, wie die Arbeitnehmerin geltend machte. Das Gericht stützte seinen Schluss, dass nur ein Badge pro Mitarbeiter existiere, „auf die übereinstimmenden Aussagen“ dreier Zeugen. Auch wenn zwei von ihnen dem Arbeitgeber nahe stehen, ist es gemäss Bundesgericht nicht willkürlich, aus allen drei Aussagen zu schliessen, es bestehe nur ein Badge pro Mitarbeiter. Dies umso mehr, als die dritte Zeugin bestätigte, dass sie selber nur einen Badge habe und darauf hinwies, dass sie – als ihr Schlüssel einmal nicht funktioniert habe – ihre Zeiten von Hand habe aufschreiben müssen und sie daher davon ausgehe, dass nur ein Schlüssel pro Mitarbeiter existiere.

Zusammenfassend ergibt sich gemäss Bundesgericht, dass das Obergericht des Kantons Zug rechtsfehlerfrei eine Manipulation des Zeiterfassungssystems durch die Arbeitnehmerin an den drei erwähnten Tagen als erwiesen erachten durfte. 

Treuebruch auch bei Bagatellbetrag

Eine Stempeluhrmanipulation ist gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts (vgl. ARBEITSRECHT Nr. 164 – August 2012) ein schwerwiegender Verstoss gegen die Treuepflicht des Arbeitnehmers. Doch anders als in jenem dort beschriebenen Fall, gibt es vorliegend keine Umstände, welche die Schwere der Treuwidrigkeit entscheidend zu relativieren vermögen. Als massgebliche Gesichtspunkte berücksichtigt wurden, dass das Arbeitsverhältnis nur gerade knapp zehn Monate gedauert hat, dass die Manipulation wiederholt vorkam und der Arbeitnehmerin auch bekannt sein musste, dass keine Manipulationen toleriert würden. Gemäss Bundesgericht war nicht entscheidend, dass es sich nur um einen Bagatellbetrag handelte, sondern dass ein Treuebruch vorlag. Somit war die fristlose Entlassung gerechtfertigt.

Kommentar

Mit diesem Urteil bestätigt das Bundesgericht seine kürzlich beim Diebstahl einer Flasche Wein (vgl. ARBEITSRECHT Nr. 204 – Dezember 2015) angewandte Praxis. Auch bei einer Stempeluhrmanipulation kann nie nur die geringe Höhe des Schadens entscheidend sein, dass eine fristlose Entlassung nicht gerechtfertigt ist. Entscheidend ist der Treuebruch, den es immer jeweils im konkreten Einzelfall unter den gegebenen Umständen zu beurteilen gilt.

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