Lohnfortzahlung bei Militärdienst, Zivilschutzdienst, Zivildienst

Wer ist rückerstattungspflichtig, wenn die Ausgleichskasse eine zu hohe Erwerbsausfallentschädigung an den Arbeitgeber ausgerichtet hat? Gemäss dem Urteil 9C_498/2015 des Bundesgerichts vom 7. Januar 2016 ist dies der Arbeitgeber, da er nicht als blosse Zahlstelle fungiert, sondern aus dem Leistungsverhältnis eigene Rechte und Pflichten erwirbt. Dieses Urteil gibt Anlass, die Lohnfortzahlung bei Militärdienst, Zivilschutzdienst und Zivildienst etwas genauer anzuschauen.

Obligatorische Erwerbsausfallversicherung

Ist der Arbeitnehmer aufgrund gesetzlicher Vorschriften gegen die wirtschaftlichen Folgen unverschuldeter Arbeitsverhinderung aus Gründen, die in seiner Person liegen, obligatorisch versichert, so hat der Arbeitgeber den Lohn nicht zu entrichten, wenn die für die beschränkte Zeit geschuldeten Versicherungsleistungen mindestens vier Fünftel (80%) des darauf entfallenden Lohnes decken. Sind die Versicherungsleistungen geringer, so hat der Arbeitgeber die Differenz zwischen diesen und vier Fünfteln des Lohnes zu entrichten (OR 324b/1+2).

Zu den obligatorischen Erwerbsausfallversicherungen gehört, neben der obligatorischen Unfallversicherung, auch der Erwerbsersatz für Dienstleistende nach dem Erwerbsersatzgesetz (EOG). Danach haben folgende Personen Anspruch auf Entschädigungen: Personen, die in der schweizerischen Armee oder im Rotkreuzdienst Dienst leisten, Personen, die Zivildienst nach Zivildienstgesetz oder Schutzdienst nach Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetz leisten sowie Personen, welche nach der schweizerischen Militärgesetzgebung rekrutiert werden, für jeden besoldeten Rekrutierungstag. Gemäss Art. 19/2 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) kommen jedoch Taggelder und ähnliche Entschädigungen in dem Ausmass dem Arbeitgeber zu, als er der versicherten Person trotz der Taggeldberechtigung Lohn zahlt. Mit anderen Worten kann der Arbeitgeber im Sinne dieser Ausnahmeregelung die Auszahlung der Entschädigung an sich selber verlangen, sofern er dem Arbeitnehmer für die Dauer des Dienstes mindestens den der Entschädigung entsprechenden Lohn bezahlt.

Während der Rekrutierung, der Rekrutenschule (RS) und gleichgestellten Dienstzeiten, d.h. Grundausbildung bei Durchdienern, bei Zivildienstleistenden (unter Abzug einer teilweise absolvierten RS) und bei Zivilschutzleistenden, beträgt die tägliche Grundentschädigung zurzeit 62 Franken. Während der anderen Dienste, insbesondere den ordentlichen Wiederholungskursen (WK), beträgt die Grundentschädigung 80% des durchschnittlichen vordienstlichen Erwerbseinkommens. Jedoch gibt es Ausnahmen, beispielsweise während Ausbildungsdiensten für die Erreichung eines höheren Grades oder einer neuen Funktion. Der Höchstbetrag der Gesamtentschädigung (Grundentschädigung plus Kinderzulagen) beträgt zurzeit 245 Franken pro Tag.

Lohnfortzahlung des Arbeitgebers

Im Falle der RS ist die Erwerbsausfallentschädigung in der Regel viel geringer als 80% des Lohns. Somit hat der Arbeitgeber gemäss Gesetz während der beschränkten Zeit, entsprechend der Dienstjahre nach Berner-, Basler- oder Zürcher-Skala (eine allfällige Lehrzeit im gleichen Betrieb ist bei den Dienstjahren anzurechnen), 80% des Lohns zu bezahlen und erhält im Gegenzug die Erwerbsausfallentschädigung von 62 Franken pro Tag von der Ausgleichskasse. Anschliessend an diese beschränkte Zeit hat der Arbeitnehmer nur noch Anspruch auf den Erwerbsersatz. Wenn nun der Arbeitnehmer die RS während der Lehre (Lehrlingslohn z.B. 800 Franken) absolviert, ist die monatliche Erwerbsausfallentschädigung von 1 860 (30 x 62) Franken höher als der Lehrlingslohn. Wem gehört nun die Differenz? Da der Arbeitgeber weiterhin den Lohn bezahlt, hat er Anspruch auf den Erwerbsersatz, allerdings nur im Umfang seiner Lohnfortzahlung. Somit ist klar: Die etwas mehr als 1 000 Franken, um die der Erwerbsersatz den Lohn übersteigt, gehören dem Dienstleistenden. Üblicherweise wird der Erwerbsersatz direkt an den Arbeitgeber bezahlt, wenn dieser den Lohn weiterhin gewährt. Wenn der Erwerbsersatz den Lohn übersteigt, wird die Entschädigung in Lohnhöhe dem Arbeitgeber vergütet, während der Rest von der Ausgleichskasse direkt auf das Konto des Dienstleistenden bezahlt werden sollte.

In der Praxis wird im Falle der RS nicht selten eine Vereinbarung getroffen, wonach der Arbeitgeber während der ganzen RS z.B. 80% des Lohns bezahlt und der Arbeitnehmer sich verpflichtet, das Arbeitsverhältnis während z.B. einem Jahr nach dem Ende der RS nicht zu kündigen, ansonsten er den erhaltenen, die gesetzliche Lohnfortzahlung nach OR 324b übersteigenden, Betrag pro rata zurückzuzahlen hat. Empfehlenswert ist der Zusatz, wonach der Arbeitnehmer auch dann zur Rückerstattung verpflichtet ist, wenn der Arbeitgeber während dieser Frist das Arbeitsverhältnis aus einem vom Arbeitnehmer zu verantwortenden Anlass auflöst.

Arbeitgeber ist nicht blosse Zahlstelle

Im eingangs erwähnten Urteil war streitig, wer – Arbeitgeber oder Arbeitnehmer – für den zu viel ausbezahlten Erwerbsersatz rückerstattungspflichtig ist. Die Vorinstanz erwog, aus den gesetzlichen Bestimmungen ergebe sich, dass der Arbeitgeber keinen Anspruch auf die Erwerbsausfallentschädigung seiner Arbeitnehmer habe, sondern lediglich einen Anspruch auf Verrechnung mit effektiv ausbezahltem Lohn. Er fungiere dabei als reine Zahlstelle und erwerbe keine eigenen Rechte oder Pflichten aus dem Leistungsverhältnis. Er sei gegenüber dem Arbeitnehmer denn auch nicht Schuldner der Entschädigung, sondern die zuständige Ausgleichskasse. Folglich könne der Arbeitgeber als blosse Zahlstelle nicht zur Rückerstattung von zu viel ausbezahltem Erwerbsersatz verpflichtet werden, und die Ausgleichskasse werde die Rückforderung gegenüber dem Arbeitnehmer zu verfügen haben.

Das Bundesgericht sieht das anders und schliesst sich der Meinung des Bundesamts für Sozialversicherung (BSV) an. Gemäss ATSG 19/2 kommen Taggelder und ähnliche Entschädigungen – wobei zu letzteren insbesondere die Entschädigung für Dienstleistende gehört – in dem Ausmass dem Arbeitgeber zu, als er der versicherten Person trotz der Taggeldberechtigung den Lohn zahlt. Dies unabhängig davon, ob der Arbeitgeber wegen der Dienstleistung des Arbeitnehmers einen Nachteil erleidet. Zur Durchsetzung dieses Anspruchs wird der Arbeitgeber durch EOG 17/1 lit. b ermächtigt, den Leistungsanspruch gegenüber der zuständigen Ausgleichskasse geltend zu machen bzw. die Auszahlung an sich zu verlangen. Weiter steht dem Arbeitgeber das Recht zu, die Erwerbsausfallentschädigung mit der Lohnzahlung zu verrechnen. Ferner ist er auch legitimiert, die entsprechenden Entscheide der Verwaltung bzw. des kantonalen Sozialversicherungsgerichts anzufechten. Der Arbeitgeber fungierte somit nicht als blosse Zahlstelle und war gemäss ATSG 25/1 i.V.m. ATSV 2/1 lit. c zur Rückerstattung der zu viel ausbezahlten Erwerbsausfallentschädigung verpflichtet.

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