Kündigungsschutz des gewählten Arbeitnehmervertreters

1. Januar 2008

Kündigungsschutz des gewählten Arbeitnehmervertreters

Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ist missbräuchlich, wenn sie ausgesprochen wird, während der Arbeitnehmer gewählter Arbeitnehmervertreter – dazu zählen grundsätzlich auch alle Ersatzleute – in einer betrieblichen oder in einer dem Unternehmen angeschlossenen Einrichtung (z.B. Pensionskasse) ist, und der Arbeitgeber nicht beweisen kann, dass er einen begründeten Anlass zur Kündigung hatte (OR 336/2b). Nicht dem Schutzbereich dieser Bestimmung unterliegen gewählte Vertreter anderer Gremien und vom Arbeitgeber bestimmte Vertreter. Der Schutz des Arbeitnehmervertreters, dessen Mandat infolge Übergangs des Arbeitsverhältnisses endet (OR 333), besteht so lange weiter, als das Mandat gedauert hätte, falls das Arbeitsverhältnis nicht übertragen worden wäre (OR 336/3).

Im BGE 133 III 512 vom 26. Juni 2007 hatte das Bundesgericht zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen sich eine gegenüber einem gewählten Arbeitnehmervertreter aus wirtschaftlichen Gründen ausgesprochene Kündigung als zulässig erweist.

Umkehr der Beweislast

OR 336 will verhindern, dass aus Beweggründen gekündigt wird, welche nach Auffassung des Gesetzgebers verwerflich sind und deshalb die Kündigung als missbräuchlich erscheinen lassen. Der Artikel zählt eine Reihe solcher verpönter Kündigungsmotive auf. Dabei richtet sich OR 336/2b gegen Kündigungen, die auf blossem Missfallen des Arbeitgebers an der Tätigkeit beruhen, welche gewählte Arbeitnehmervertreter in Betriebskommissionen oder ähnlichen Einrichtungen entfalten. OR 336/2b weicht allerdings insoweit von den übrigen gesetzlichen Missbrauchstatbeständen ab, als nicht der Arbeitnehmer die Missbräuchlichkeit, sondern der Arbeitgeber die Begründetheit der Kündigung zu beweisen hat. Misslingt ihm dieser Beweis, so ist die Kündigung missbräuchlich. Diese Umkehr der Beweislast verstärkt den Schutz, den das Gesetz dem gewählten Arbeitnehmervertreter gewährt, um ihm eine wirkungsvolle Vertretung von Arbeitnehmerinteressen zu ermöglichen. Die Vorschriften über den sachlichen Kündigungsschutz bezwecken jedoch keinen Bestandesschutz des Arbeitsverhältnisses während bestimmter Zeitspannen; sie belegen lediglich den Kündigungsmissbrauch, d.h. die Kündigung aus verwerflichen Beweggründen mit Sanktionen.

Begründeter Anlass zur Kündigung

Gemäss OR 336/2b ist die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber nicht missbräuchlich, wenn er beweisen kann, dass er einen begründeten Anlass zur Kündigung hatte. Der begründete Anlass reicht – wie beim Konkurrenzverbot in OR 340c/2 – weniger weit als der wichtige Grund gemäss OR 337, der eine fristlose Entlassung rechtfertigt. Es genügt jeder Grund, der bei vernünftiger Betrachtungsweise Anlass zur Kündigung geben kann, auch wenn er die sofortige Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht rechtfertigen würde. Diese Bestimmung erlaubt dem Arbeitgeber, einem gewählten Arbeitnehmervertreter gemäss Bundesgericht nicht nur aus Gründen, die dieser selbst gesetzt hat, sondern auch aus rein objektiven – insbesondere wirtschaftlichen – Gründen zu kündigen. Ein Verschulden des Arbeitnehmers ist nicht erforderlich.

Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen

Da OR 336/2b an das Motiv der Kündigung anknüpft, muss gemäss Bundesgericht eine Entlassung aus wirtschaftlichen Gründen grundsätzlich zulässig sein, soweit kein Zusammenhang mit der Tätigkeit als Arbeitnehmervertreter besteht. Wenn auch in der Lehre häufig der schlechte Geschäftsgang oder Arbeitsmangel als Beispiel für eine zulässige, durch wirtschaftliche Gründe motivierte Entlassung genannt wird, ist es gemäss Bundesgericht nicht notwendig, dass der Restrukturierungsbedarf durch die schlechte Geschäftslage klar erwiesen ist, da sonst dem Arbeitgeber verunmöglicht würde, durch frühzeitige Restrukturierungsmassnahmen schlechte Geschäftslagen zu vermeiden. Der Arbeitgeber darf Optimierungsmassnahmen treffen, ohne dass er einen schlechten Geschäftsgang abwarten müsste, und er darf die Lohnkosten dort einsparen, wo es sich als betriebswirtschaftlich besonders sinnvoll erweist oder am ehesten sozialverträglich abwickeln lässt, auch wenn Arbeitnehmervertreter davon betroffen sein sollten. Um die Missbrauchsvermutung umzustossen ist es nicht notwendig, dass der Arbeitgeber die Umstrukturierung zunächst zu Lasten anderer Arbeitnehmer vornimmt. In dieser Hinsicht besteht kein Unterschied zu den übrigen Arbeitnehmern, da die Regelung grundsätzlich keinen absoluten Bestandesschutz bezweckt. Freilich dürfen die wirtschaftlichen Gründe nicht bloss vorgeschoben werden, um den Arbeitnehmervertreter loszuwerden, beispielsweise indem die angeblich einzusparende Stelle durch eine neu eingestellte Person wieder besetzt wird.

Dem eingangs erwähnten Entscheid des Bundesgerichts lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Der Arbeitnehmer war im Zeitpunkt des Empfangs der Kündigung Mitglied der Mitarbeitervertretung. Die Funktion des Arbeitnehmers war dazu geeignet, auf bereits für den Arbeitgeber tätige Angestellte aufgeteilt zu werden, und die Stelle konnte tatsächlich eingespart werden. Unbestritten war, dass die Funktion als Arbeitnehmervertreter für die Kündigung keine Rolle gespielt hat. Die wirtschaftlichen Gründe erwiesen sich damit – entgegen der Behauptung des Arbeitnehmers – als nicht bloss vorgeschoben. Ebenso stand fest, dass die Tätigkeit des Arbeitnehmers als Arbeitnehmervertreter nicht das Motiv der Kündigung war, auch nicht indirekt über eine wegen der Arbeitnehmervertretung allenfalls reduzierte Leistungsfähigkeit. Unter diesen Umständen liess das Bundesgericht die durch die Entlassung im Rahmen eines Restrukturierungsprogramms erfolgte Einsparung als einen begründeten Anlass zur Kündigung im Sinn des Gesetzes gelten, und somit war die vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung, während der Arbeitnehmer gewählter Arbeitnehmervertreter war, nicht missbräuchlich.

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