Probezeit

2. April 2018

Probezeit

Anlass zu der vorliegenden Ausgabe gibt das Urteil 4A_3/2017 des Bundesgerichts, welches klarstellt, wann die Probezeit endet, wenn der Arbeitsvertrag erst am Tag des Stellenantritts abgeschlossen wurde.

Allgemeines zur Probezeit

Beim unbefristeten Arbeitsverhältnis gilt gemäss OR 335b/1 der erste Monat als Probezeit. Durch schriftliche Vereinbarung, Gesamtarbeitsvertrag oder Normalarbeitsvertrag kann die Probezeit verkürzt, ganz wegbedungen oder auf höchstens drei Monate verlängert werden. Bei der Dauer der Probezeit kommt es grundsätzlich nicht auf die effektiv geleistete Arbeit, sondern auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses an. Teilzeitarbeit führt also nicht zu einer Verlängerung der Probezeit. Hingegen führt eine effektive Verkürzung der Probezeit infolge Krankheit, Unfall oder Erfüllung einer nicht freiwillig übernommenen gesetzlichen Pflicht zu einer entsprechenden Verlängerung der Probezeit (OR 335b/3).

Während der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis gemäss OR 335b/1 jederzeit mit einer Kündigungsfrist von sieben Tagen auf jeden Zeitpunkt gekündigt werden. Auch diese dispositive gesetzliche Bestimmung kann durch schriftliche Vereinbarung, Gesamtarbeitsvertrag oder Normalarbeitsvertrag geändert werden, d.h. es kann eine längere oder auch eine kürzere Kündigungsfrist als die sieben Tage vereinbart werden. Als Umkehrschluss aus OR 336c/1 ergibt sich zudem, dass die gesetzlichen Sperrfristen während der Probezeit nicht gelten, d.h. dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis auch kündigen kann, wenn die Arbeitnehmerin beispielsweise infolge Krankheit oder Unfall an der Arbeit verhindert ist.

Sachverhalt

Dem eingangs erwähnten Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Ein Buchhalter trat seine Stelle am 15. Juli 2015 an. Betreffend Probezeit gab es keine vertragliche Regelung. Am 24. Juli war er krank. Vom 27. Juli bis am 14. August 2015 bezog er wie vereinbart Ferien. Am 16. August 2015 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis per E-Mail auf den 23. August 2015 und teilte dem Buchhalter mit, er brauche nicht mehr zur Arbeit zu kommen. In der Folge klagte der Buchhalter gegen den Arbeitgeber und forderte u.a. Lohnzahlung für die Dauer des Arbeitsverhältnisses bis am 30. September 2015.

Fristberechnung

Im vorliegenden Fall betrug die Probezeit mangels abweichender vertraglicher Abrede einen Monat. Der Arbeitnehmer trat die Stelle am 15. Juli 2015 an. Infolge Krankheit von einem Tag verlängerte sich die Probezeit um einen Tag. Strittig war, ob die am 16. August 2015 erfolgte Kündigung noch während der Probezeit erfolgte oder bereits danach. Die Vorinstanz stellte bei der Berechnung auf OR 77/1 Ziffer 3 ab und schloss daraus, dass die Kündigung noch innerhalb der Probezeit erfolgt war. Der Buchhalter machte dagegen geltend, OR 77/1 Ziffer 3 sei auf die Berechnung der Probezeit nicht anwendbar, und letztere habe deshalb – unter Berücksichtigung der Verlängerung – bereits am 15. August 2015 geendet.

Die Probezeit beginnt grundsätzlich am Tag des Stellenantritts. Massgebend ist dabei die tatsächliche Arbeitsaufnahme und nicht der möglicherweise davon abweichende vertraglich festgelegte Stellenantritt, ausser wenn die Arbeit wegen Annahmeverzug des Arbeitgebers nicht angetreten werden kann. Das Bundesgericht hatte zu entscheiden, ob der Tag des Stellenantritts bei der Berechnung der Probezeit mitzuzählen ist oder nicht. OR 77/1 Ziffer 3 sieht folgende Regelung vor: Soll die Erfüllung einer Verbindlichkeit oder eine andere Rechtshandlung mit dem Ablauf einer bestimmten Frist nach Abschluss des Vertrags erfolgen, so fällt ihr Zeitpunkt, „wenn die Frist nach Monaten oder einem mehrere Monate umfassenden Zeitraume (Jahr, halbes Jahr, Vierteljahr) bestimmt ist, auf denjenigen Tag des letzten Monats, der durch seine Zahl dem Tage des Vertragsabschlusses entspricht, und, wenn dieser Tag in dem letzten Monat fehlt, auf den letzten Tag dieses Monates“. Die Bestimmung stellt sicher, dass dem Leistenden ein voller Monat respektive ein voller mehrere Monate umfassender Zeitraum zur Erfüllung einer Verbindlichkeit beziehungsweise zur Vornahme einer Rechtshandlung zur Verfügung steht. Da ihm nur ein Bruchteil des Tags des fristauslösenden Zeitpunkts verbleibt, wird dieser Tag zu seinem Schutz nicht mitgezählt. OR 77/1 Ziffer 3 bringt in dieser Hinsicht dasselbe Prinzip zum Ausdruck wie Ziffer 1, gemäss der, wenn die Frist nach Tagen bestimmt ist, der Tag, an dem der Vertrag geschlossen wurde, nicht mitgerechnet wird. Für den Beginn der Frist stellt OR 77/1 Ziffer 3 auf den Tag „des Vertragsabschlusses“ ab.

Wird der Arbeitsvertrag am Tag abgeschlossen, in dessen Verlauf auch noch der Stellenantritt erfolgt, steht dieser nicht voll zur Verfügung und daher wird er nicht mitgezählt. OR 77/1 Ziffer 3 ist gemäss Bundesgericht ohne Weiteres anwendbar. Vorliegend haben die Parteien keinen schriftlichen Arbeitsvertrag unterzeichnet. Dass der Arbeitsvertrag schon vor dem Tag des Stellenantritts mündlich abgeschlossen worden wäre, hat die Vorinstanz nicht festgestellt. Der Buchhalter bringt auch nichts Derartiges vor, und es ist ohnehin nicht erkennbar, inwiefern er zu einer dahingehenden Ergänzung des Sachverhalts berechtigt wäre. Entsprechend ist für das Bundesgericht massgeblich, dass der Arbeitsvertrag am Tag des Stellenantritts abgeschlossen wurde. Die Probezeit hätte somit in Anwendung von OR 77/1 Ziffer 3 grundsätzlich am 15. August 2015 geendet, verlängerte sich aber wegen Krankheit gemäss OR 335b/3 um einen Tag. Die Kündigung ging dem Buchhalter am 16. August 2015 und somit innerhalb der Probezeit zu und das Arbeitsverhältnis endete entsprechend am 23. August 2015.

Schliesslich hielt das Bundesgericht Folgendes fest: „Damit kann offen bleiben, wie die Probezeit zu berechnen ist, wenn der Arbeitsvertrag schon vor dem Tag des Stellenantritts abgeschlossen wurde“, was ja der „Normalfall“ sein wird. Paradoxerweise verwies es aber an gleicher Stelle auf ein früheres Urteil des Bundesgerichts (4C.45/2004), welches die Berechnungsweise für diesen „Normalfall“ aufzeigt. Danach wurde der Arbeitsvertrag am 8. Juni 2001 abgeschlossen. Der Stellenantritt erfolgte am 6. August 2001. Die gesetzliche Probezeit von einem Monat war gemäss Bundesgericht am 5. September 2001 beendet. Der Tag des Stellenantritts wurde hier also mitgezählt. Ob das Bundesgericht mit dem ausdrücklichen Offenlassen dieser Frage im Urteilt 4A_3/2017 eine künftige Änderung der Gerichtspraxis in Erwägung ziehen wollte, bleibt fraglich, ist aber wohl nicht anzunehmen. Denn es ist unseres Erachtens unbestritten, dass im klassischen Fall eines Arbeitsverhältnisses, das am ersten Tag eines Monats beginnt, die Probezeit am letzten Tag des entsprechenden Monats endet, und nicht erst am ersten Tag des Folgemonats. Anders wäre es aber, in Anwendung von OR 77/1 Ziffer 3, wenn der Vertragsabschluss erst am Tag des Stellenantritts erfolgte.


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