Überzeitarbeit

1. Januar 2018

Überzeitarbeit

Immer wieder kommt es vor, dass Mehrarbeit (Überstunden und Überzeit) geleistet wird, nicht kompensiert werden kann und dann in der Regel erst am Ende des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht wird. Auch wenn dafür keine exakte Arbeitszeiterfassung vorliegt, besteht unter Umständen ein Anspruch auf Auszahlung. Entscheidend dafür sind u.a. die vertragliche Regelung, der Nachweis der geltend gemachten Mehrarbeit und, wenn es um Überzeit geht, ob das Arbeitsgesetz anwendbar ist oder nicht. Geht es nach dem Arbeitsgesetz, ist die Referenzperiode für die Berechnung der Überzeit die Kalenderwoche. Dies ist auch dann der Fall, wenn die Arbeitsleistung vom Arbeitnehmer zusammengefasst für eine bestimmte längere Zeitspanne (z.B. Monate oder Jahre) geltend gemacht wird.

Sachverhalt

Dem Urteil 4A_207/2017 des Bundesgerichts lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Der Arbeitnehmer war vorerst als Geschäftsführer angestellt. Nach einer Fusion war er neu als Projektleiter für Infrastrukturprojekte vorgesehen. Mangels Einigung über die künftigen Anstellungsbedingungen kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis. In der Folge einigten sich die Parteien auf einen neuen per Mai 2008 in Kraft getretenen Arbeitsvertrag. Nachdem der Arbeitnehmer mit einer später vom Arbeitgeber vorgeschlagenen Lohnreduktion nicht einverstanden war, kündigte dieser das Arbeitsverhältnis per Ende Mai 2010.

In der Folge machte der Arbeitnehmer insbesondere einen Überzeitanspruch von rund 98‘000 Franken geltend. Das Bezirksgericht Maloja wies die Klage vollumfänglich ab. Das Kantonsgericht Graubünden erachtete einen Überzeitanspruch von rund 77‘000 Franken als ausgewiesen.

Unterstellung unter die arbeitsgesetzliche Regelung

Vorerst kann festgehalten werden, dass im vorliegenden Fall in beiden schriftlichen Arbeitsverträgen eine Entschädigung für Überstunden und für die ersten 60 Überzeitstunden pro Kalenderjahr ausgeschlossen worden ist. Somit hat die Vorinstanz gemäss Bundesgericht zu Recht entsprechende Ansprüche nach OR 321c und ArG 13/1 verneint.

Hinsichtlich des weiteren Anspruchs auf Überzeitentschädigung nach ArG 13/1 ist jedoch zu differenzieren. Bis Ende Juli 2007 war der Arbeitnehmer als Geschäftsführer tätig gewesen, ab August 2007 hingegen als Projektleiter Infrastruktur. Das Kantonsgericht Graubünden qualifizierte die Tätigkeit als Geschäftsführer als höhere leitende Tätigkeit, weshalb er nicht dem Arbeitsgesetz (ArG) unterstand. Hingegen wurde er als Projektleiter Infrastruktur zwar als leitender Angestellter im Sinn des Privatrechts eingestuft, nicht aber als höherer leitender Angestellter gemäss ArG 3 lit. d, weshalb er ab August 2007 dem ArG unterstand. Diese vorinstanzliche Beurteilung wurde vor Bundesgericht nicht mehr angefochten. Somit musste noch geprüft werden, ob die Mehrarbeit ab August 2007 ausgewiesen und die Überzeit entsprechend zu entschädigen war.

Beweis der geleisteten Arbeitsstunden durch den Arbeitnehmer

Der Arbeitnehmer hat nachzuweisen, dass er Mehrarbeit geleistet hat und diese angeordnet oder betrieblich notwendig gewesen ist. Der Anordnung gleichgesetzt wird, wenn der Arbeitgeber von deren Leistung Kenntnis gehabt hat oder hätte haben müssen, dagegen nicht eingeschritten ist und sie damit genehmigt hat. Gemäss Kantonsgericht Graubünden stand fest, dass der Arbeitnehmer auf Anordnung monatlich Auskunft über die für die jeweiligen Projekte aufgewendeten Arbeitsstunden gegeben hat und diese Rapporte vom Arbeitgeber gegengezeichnet worden sind. Wäre er mit den Rapporten und den darin aufgeführten Arbeitsstunden nicht einverstanden gewesen, hätte er dagegen einschreiten müssen. Da er dies nicht gemacht hat, galten die in den eingereichten Arbeitsrapporten aufgeführten Arbeitsstunden als von ihm genehmigt.

Berechnung der Überzeit

Vor Bundesgericht strittig war die vom Kantonsgericht Graubünden als ausgewiesen erachtete Anzahl von Arbeits- und infolgedessen auch Überzeitstunden. Referenzperiode für die Berechnung der Überzeit ist gemäss ArG die Kalenderwoche. Anspruchsbegründend und somit vom Arbeitnehmer zunächst zu behaupten, bei Bestreitung zu substanziieren und schliesslich auch zu beweisen, ist der Umfang der von ihm geleisteten Arbeit, die über die zulässige Höchstarbeitszeit hinausgeht und zudem mehr als 60 Stunden in einem Kalenderjahr betragen muss. Die Kompensation von geleisteter Überzeit durch Freizeit von gleicher Dauer ist demgegenüber eine anspruchsvernichtende Tatsache, die vom Arbeitgeber zu beweisen ist. Wie wird die Überzeit nun aber berechnet, wenn, wie im vorliegenden Fall, die Arbeitsleistung vom Arbeitnehmer zusammengefasst für eine bestimmte längere Zeitspanne (z.B. Monate oder Jahre) vorgetragen wird? Auch in diesem Fall bleibt die Kalenderwoche die Referenzgrösse.

Im vorliegenden Fall betrug die wöchentliche Höchstarbeitszeit 45 Stunden (ArG 9/1 lit. a). Die darüber hinaus geleisteten Arbeitsstunden gelten als Überzeit, die mit einem Zuschlag von 25% zu bezahlen sind. Allerdings waren die ersten 60 Stunden Überzeit pro Kalenderjahr aufgrund der getroffenen schriftlichen Vereinbarung nicht zu entschädigen (ArG 13/1). Nach Ansicht des Bundesgerichts hat das Kantonsgericht Graubünden gestützt auf die Rapporte des Arbeitnehmers willkürfrei für den geltend gemachten Zeitraum vom 1. November 2007 bis zum 31. Mai 2010 insgesamt 7‘105 geleistete Stunden Arbeit festgestellt. Hingegen hat es das Urteil des Kantonsgerichts Graubünden in zweierlei Hinsicht als unhaltbar erachtet und entsprechend korrigiert. Erstens ist nicht von einer Jahreshöchstarbeitszeit von 2‘160 Stunden (48 Wochen à 45 Stunden), sondern von 2‘340 Stunden (52 Wochen à 45 Stunden) auszugehen und zweitens für die gesamte Zeit von einem einheitlichen Stundenansatz von Fr. 52.12, da die bei höherem Lohn vom 1. November 2007 bis 30. April 2008 geleistete Überzeit mangels Beweisen nicht ausgeschieden werden konnte. Somit ergab sich folgende Berechnung: 7‘105 Stunden geleistete Arbeit, minus Höchstarbeitszeiten von insgesamt 6‘045 Stunden, minus nicht zu entschädigende 60 Stunden pro Kalenderjahr, also insgesamt 240 Stunden. Die Überzeit betrug somit 820 Stunden, wovon ermessensweise 6 Stunden für die zu Unrecht geltend gemachten angebrochenen Wochen abzuziehen waren. Diese 814 Stunden Überzeit waren mit dem massgeblichen Stundenansatz von Fr. 52.12 zu multiplizieren, was Fr. 42‘425.68 brutto ergab. Nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge von 8.09% resultierte ein Betrag von Fr. 38‘993.44 netto. Mit dem Zuschlag von 25% belief sich die zu bezahlende Überzeitentschädigung auf Fr. 48‘741.80.

Den Abonnenten Beratung und Beratung 360° vorbehalten Abonnieren Sie sich

Eine Kategorie wählen:

Laden….