Überwachungskamera am Arbeitsplatz

1. Dezember 2009

Überwachungskamera am Arbeitsplatz

Inwieweit ist es zulässig, am Arbeitsplatz Überwachungskameras zu installieren? Mit dieser Frage hatte sich die strafrechtliche Abteilung des Bundesgerichts (Entscheid 6B_536/2009 vom 12. November 2009) im Rahmen eines Strafverfahrens wegen angeblichen Diebstahls zu befassen. Es galt zu beurteilen, ob die Videoaufnahmen am Arbeitsplatz rechtmässig erlangt wurden und somit als Beweismittel für den Diebstahl verwendet werden durften. Das Bundesgericht hat entschieden, dass ein Überwachungssystem erlaubt sein kann, auch wenn es (hauptsächlich) der gezielten Überwachung des Verhaltens der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz dient, sofern die Arbeitnehmer nur sporadisch und kurzzeitig bei bestimmten Gelegenheiten vom Überwachungssystem erfasst werden.

Sachverhalt

Ein Arbeitgeber hatte bei der täglichen Schlussabrechnung in der Kasse einen Fehlbetrag von 1’350 Franken festgestellt. Hierauf konsultierte er den Film, welcher mit einer Kamera aufgenommen worden war, die im Kassenraum ohne Wissen der Mitarbeiter installiert und auch während der Geschäftszeit in Betrieb war. In der Folge erstattete der Arbeitgeber Strafanzeige wegen Diebstahls, angeblich begangen von einer Arbeitnehmerin, und belegte dies mit den Filmaufnahmen. Das Obergericht Zürich wies den Rekurs gegen die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft ab, im Wesentlichen mit der Begründung, dass die Filmaufnahmen unrechtmässig erlangt worden und daher nicht als Beweismittel verwertbar seien und andere Beweise, die gegen die angeschuldigte Arbeitnehmerin sprächen, nicht vorlägen.

Gesetzliche Grundlagen und Erwägungen des Bundesgerichts

Strafgesetzbuch (StGB)

Das Bundesgericht hatte zu prüfen, ob der Straftatbestand der Verletzung des Geheim- oder Privatbereichs durch Aufnahmegeräte erfüllt war. Es kam zum Schluss, dass die Videoaufnahme betreffend das Geschehen im Kassenraum diesen Tatbestand nicht erfüllte, weil die Entnahme von einigen Banknoten aus der Kasse und das Verlassen des Kassenraums mit diesen Banknoten keine Tatsachen aus dem Geheimbereich oder aus dem nicht jedermann ohne weiteres zugänglichen Privatbereich der Arbeitnehmerin betrifft. Somit kann die Videoaufnahme nicht gestützt auf StGB 179quater rechtswidrig sein.

Gesundheitsschutz

Im Weiteren hatte das Bundesgericht zu prüfen, ob ein Verstoss gegen arbeitsgesetzliche Bestimmungen vorlag. Gemäss Art. 26 der Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz (ArGV3) dürfen Überwachungs- und Kontrollsysteme, die das Verhalten der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz überwachen sollen, nicht eingesetzt werden. Sind Überwachungs- und Kontrollsysteme aus anderen Gründen erforderlich, sind sie insbesondere so zu gestalten und anzuordnen, dass die Gesundheit und die Bewegungsfreiheit der Arbeitnehmer dadurch nicht beeinträchtigt werden.

Ein Überwachungssystem, welches beispielsweise die Sicherheit und die Funktionstüchtigkeit einer Maschine überwacht, ist gemäss Bundesgericht im Sinne von ArGV3 26 zulässig, auch wenn dadurch zwangsläufig auch der Arbeitnehmer, der die Maschine bedient, vom Überwachungssystem mit erfasst wird. Demgegenüber sind nach dem Wortlaut von ArGV3 26 Überwachungs- und Kontrollsysteme verboten, welche die gezielte Überwachung des Verhaltens der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz bezwecken. Die Erfassung des Verhaltens am Arbeitsplatz durch Videokameras kann für den Arbeitnehmer gesundheitlich belastend sein. Das Ausmass dieser Belastung kann davon abhängen, ob das Überwachungssystem gezielt zu dessen Überwachung oder aber aus anderen Gründen eingesetzt wird. Wesentlich kann insoweit insbesondere auch sein, wie oft, wie lange und bei welchen Tätigkeiten der Arbeitnehmer vom Überwachungssystem erfasst wird. Im vorliegenden Fall kann davon ausgegangen werden, dass die Kamera im Kassenraum beziehungsweise ihr Einsatz während der Geschäftszeit hauptsächlich die Überwachung der Arbeitnehmer bezweckte.

Gemäss Bundesgericht ist ArGV3 26 in dem Sinne einschränkend auszulegen, dass Überwachungs- und Kontrollsysteme, die das Verhalten der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz überwachen sollen, nicht eingesetzt werden dürfen, soweit sie geeignet sind, die Gesundheit oder das Wohlbefinden der Arbeitnehmer zu beeinträchtigen. Nur unter dieser Voraussetzung stellt das Verbot der Überwachung eine Massnahme für den Gesundheitsschutz im Sinn von ArG 6/4 dar. Soweit sich die Regelung des Verhaltens der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz in einer bundesrätlichen Verordnung – vorliegend in ArGV3 – auf ArG 6/4 stützt, ist das Kriterium der Gesundheitsbeeinträchtigung von Bedeutung. Gemäss Bundesgericht kann jedoch dem Verordnungsgeber nicht gefolgt werden, soweit er offenbar davon ausgeht, dass eine (hauptsächlich) der Überwachung des Verhaltens der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz dienende Massnahme (ArGV3 26/1) – im Unterschied zu einem aus anderen Gründen eingerichteten Überwachungssystem (ArGV3 26/2) – gerade dadurch die Gesundheit der Arbeitnehmer beeinträchtigen kann und daher zu verbieten ist. Der Zweck der Überwachungsmassnahme ist nur ein Kriterium neben andern (Häufigkeit, Dauer etc. der Überwachung), die unter dem Gesichtspunkt des Gesundheitsschutzes von Bedeutung sein können. Ein Überwachungssystem kann daher, auch wenn es (hauptsächlich) der gezielten Überwachung des Verhaltens der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz dient, erlaubt sein, wenn die Arbeitnehmer nur sporadisch und kurzzeitig bei bestimmten Gelegenheiten vom Überwachungssystem erfasst werden. Durch die Videoüberwachung im Kassenraum wird nicht das Verhalten der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz über längere Zeit überwacht, sondern im Wesentlichen die Kasse erfasst, an welcher sich die Arbeitnehmer sporadisch und kurzzeitig aufhalten. Eine solche Videoüberwachung ist gemäss Bundesgericht nicht geeignet, die Gesundheit und das Wohlbefinden der Arbeitnehmer zu beeinträchtigen und verstösst somit nicht gegen ArGV3 26.

Persönlichkeitsschutz und Datenschutz

Die Überwachung der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz etwa durch Videokameras kann, je nach den konkreten Umständen, auch die Persönlichkeit verletzen und/oder gegen Vorschriften des Datenschutzgesetzes verstossen. Im vorliegenden Fall werden die Arbeitnehmer von der Videoüberwachung im Kassenraum nur sporadisch und kurzzeitig erfasst. Somit wurde gemäss Bundesgericht die Persönlichkeit der angeschuldigten Arbeitnehmerin nicht im Sinne von ZGB 28, OR 328 und 328b beziehungsweise DSG 12 widerrechtlich verletzt.

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