Haftung des Arbeitgebers

Ein wichtiger Teil des Persönlichkeitsschutzes ist der Schutz der Gesundheit. Die vom Arbeitgeber nach OR 328/2 zu treffenden Massnahmen sind nicht nur zum Schutz vor Berufsunfällen, sondern ganz allgemein zum Schutz vor Gesundheitsschädigungen, die sich aus der Berufsausübung ergeben können. Anlass zu der vorliegenden Ausgabe gibt das Urteil 4A_189/2015 des Bundesgerichts vom 6. Juli 2015 zu einem Berufsunfall, wonach der Arbeitgeber schadenersatzpflichtig wurde, weil er es unterlassen hatte, einen Sicherheitsbügel anzubringen, obschon ihm dies billigerweise zumutbar gewesen wäre.

Sachverhalt

Dem eingangs erwähnten Urteil des Bundesgerichts lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Ein Arbeitnehmer arbeitete in einem Betrieb an einer Bandhärteanlage, mit der im Nonstop-Vierschichtbetrieb Rohlinge für Sägeblätter hergestellt werden. Etwa alle sechs Stunden müssen die auslaufenden Stahlbandrollen mit neuen verschweisst werden. Der Arbeitnehmer geriet nach einem Schweissvorgang in die Treiberrollen und verletzte sich dabei an Daumen und Zeigefinger der linken Hand. Der Augenschein hat gemäss Vorinstanz klar ergeben, dass sich die Treiberrollen wie auch die Separierrolle in solcher Nähe zum Bedienpult befanden, dass der dieses (rechtshändig) bedienende Arbeitnehmer aus Unachtsamkeit ohne besondere aussergewöhnliche Bewegung mit der (linken) Hand an die Bänder geraten kann. Insbesondere erscheint es möglich, dass ein Arbeitnehmer, wenn er beim oder nach dem Anschalten der Treiberrollen aus dem Gleichgewicht gerät, nach Halt suchend, sich mit der linken Hand auf der lediglich rund 50 cm vor den Treiberrollen befindlichen Separierrolle oder gar auf der Bandrolle selbst abzustützen versucht und die Hand in die rotierenden Treiberrollen gezogen wird.

Der Unfall führte in der Folge zu einer Rente der SUVA, wobei von einer Invalidität von 13% ausgegangen wurde. Der Arbeitnehmer klagte gegen den Arbeitgeber auf Schadenersatz gestützt auf OR 328, da es dieser unterlassen habe, die geforderte Schutzeinrichtung anzubringen.

Gesundheitsschutz

Der Arbeitgeber hat im Arbeitsverhältnis u.a. auf die Gesundheit des Arbeitnehmers gebührend Rücksicht zu nehmen. Er hat zum Schutz von Leben, Gesundheit und persönlicher Integrität der Arbeitnehmer die Massnahmen zu treffen, die nach der Erfahrung notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar und den Verhältnissen des Betriebs oder Haushalts angemessen sind, soweit es mit Rücksicht auf das einzelne Arbeitsverhältnis und die Natur der Arbeitsleistung ihm billigerweise zugemutet werden kann (OR 328). Gestützt darauf hat der Arbeitgeber etwa die erforderlichen und geeigneten Massnahmen zum Schutz vor Berufsunfällen zu treffen. Gemäss Art. 28/1 der Verordnung über die Unfallverhütung (VUV) sind Arbeitsmittel, die beim Verwenden eine Gefährdung der Arbeitnehmer durch bewegte Teile darstellen, mit entsprechenden Schutzeinrichtungen auszurüsten, die verhindern, dass in den Gefahrenbereich bewegter Teile getreten oder gegriffen werden kann. Der Arbeitgeber ist nach VUV 60/2 berechtigt, hinsichtlich der von ihm zu treffenden Sicherheitsmassnahmen den Rat des zuständigen Durchführungsorgans einzuholen.

Sicherheitsvorkehrungen des Arbeitgebers

Hat ein Arbeitgeber eine Anlage oder einen Teil einer Anlage von der SUVA umfassend prüfen lassen und hat er danach allfällige aufgedeckte Mängel behoben, so ist ihm gemäss Bundesgericht nicht zuzumuten, zusätzlich einen (weiteren) Experten beizuziehen. Der Arbeitgeber hat zu Recht geltend gemacht, dass die Abklärung der Arbeitsplatzsicherheit zu den Kernkompetenzen der SUVA gehört, beaufsichtigt diese doch die Anwendung der Vorschriften über die Verhütung von Berufsunfällen (vgl. VUV 49). Jedoch entbindet auch eine umfassende Prüfung den Arbeitgeber nicht von einer sorgfältigen Instruktion und Überwachung der Arbeitnehmer, damit auch eine korrekte Nutzung der überprüften Anlage erfolgt. Hier wäre allenfalls fraglich, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer hätte darauf hinweisen müssen, er solle jeweils rechts vom Bedienpult stehen und nicht links. Dies kann jedoch off en bleiben, denn vorliegend ist nicht von einer umfassenden Prüfung der Bandhärteanlage durch die SUVA auszugehen. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz hat die SUVA den Arbeitgeber insbesondere angewiesen, eine Gefahrenermittlung an der Anlage erst noch durchzuführen. Der Arbeitgeber durfte somit nicht davon ausgehen, dass die Anlage in allen Punkten den gesetzlichen Anforderungen, insbesondere VUV 28/1, entsprach. Der Arbeitgeber hat nicht geltend gemacht, dass das Anbringen eines Sicherheitsbügels ihm nicht hätte zugemutet werden können und Gründe dafür sind gemäss Bundesgericht auch nicht ersichtlich. Somit wurde die Haftung des Arbeitgebers gestützt auf OR 328 bejaht.

Adäquater Kausalzusammenhang – Mitverschulden des Arbeitnehmers

Der Arbeitgeber war der Meinung, dass der Kausalzusammenhang unterbrochen sei und somit keine Haftung seinerseits vorliege. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung wird der adäquate Kausalzusammenhang unterbrochen, wenn zu einer an sich adäquaten Ursache eine andere Ursache hinzutritt, die einen derart grossen Wirkungsgrad aufweist, dass erstere nach wertender Betrachtungsweise als rechtlich nicht mehr beachtlich erscheint. Entscheidend ist dabei die Intensität der beiden Ursachen. Das Verhalten eines Dritten vermag den Kausalzusammenhang nur zu unterbrechen, wenn diese Zusatzursache derart ausserhalb des normalen Geschehens liegt, derart unsinnig ist, dass damit nicht zu rechnen war.

Gemäss Bundesgericht besteht kein Grund zur Annahme, dass sich der Arbeitnehmer die Verletzung quasi zwingend anlässlich einer unsinnigen Handlung zugezogen hat. Auf jeden Fall ist ein schweres, den Kausalzusammenhang unterbrechendes Selbstverschulden des Arbeitnehmers nicht erstellt. Immerhin ist für das vom Arbeitnehmer zugestandene Mitverschulden, das nicht mehr als leicht bezeichnet werden kann, ein Mitverschuldensabzug von einem Drittel vorzunehmen. Somit betrug der vom Arbeitgeber zu bezahlende Schadenersatz noch rund 15'000 Franken.

Kommentar

Aus der Pflicht zum Gesundheitsschutz ergibt sich die Verpflichtung, jede Vorrichtung und Maschine, die der Arbeitnehmer bedienen muss oder mit der er in Berührung kommt, so mit Schutzvorkehrungen zu versehen, dass die Unfallgefahr möglichst klein wird. Ist eine gewisse Gefährdung aus der Natur der Arbeit heraus unvermeidlich, ist der Arbeitnehmer auf die Gefahr im Detail aufmerksam zu machen, ist ihm zu zeigen, wie er sich vor der Gefahr schützen kann, ist er regelmässig zu überwachen und sind ihm Gefahr bringende Manipulationen zu untersagen. Diese Pflicht des Arbeitgebers zur sorgfältigen Instruktion und Überwachung der Arbeitnehmer besteht auch dann, wenn eine Anlage von der SUVA umfassend geprüft wurde, ansonsten er riskiert, schadenersatzpflichtig zu werden.


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