Bonus: Gratifikation oder Lohnbestandteil?

1. September 2015

Bonus: Gratifikation oder Lohnbestandteil?

Einmal mehr hatte das Bundesgericht zu entscheiden, ob ein Bonus als (freiwillige) Gratifikation oder als (geschuldeter) Lohnbestandteil zu qualifizieren ist (Urteil 4A_653/2014 vom 11. August 2015). Dabei hat es seine bisherige Rechtsprechung ergänzt und festgehalten, dass das Kriterium der Akzessorietät zwischen Lohn und Bonus dann nicht mehr von Bedeutung ist, wenn die jährliche Entschädigung höher ist als der fünffache Medianlohn in der Privatwirtschaft. In einem solchen Fall gilt ein vertraglich nicht zwingender Bonus als freiwillige Gratifikation und nicht als geschuldeter Lohnbestandteil.

Ausgangslage

Nach bisheriger Rechtsprechung des Bundesgerichts (vgl. ARBEITSRECHT Nr. 172 – April 2013) bedarf es in der Regel zweierlei, damit ein Bonus als (freiwillige) Gratifikation zu qualifizieren ist und nicht als (geschuldeter) Lohnbestandteil. Erstens muss die Gewährung des (freiwilligen) Bonus im Ermessen des Arbeitgebers liegen und zweitens muss der Bonus im Verhältnis zum Lohn akzessorisch sein. Das Kriterium der Akzessorietät spielt jedoch dann keine Rolle, wenn der Lohn nicht nur bei Weitem die Kosten für einen angemessenen Lebensunterhalt des Arbeitnehmers, sondern auch den Durchschnittslohn um ein Vielfaches übersteigt. Bei welcher konkreten Lohnhöhe dies der Fall ist, hatte das Bundesgericht jedoch bisher noch nicht entschieden.

Sehr hohes Einkommen

Anders als bei früheren Entscheiden hat nun das Bundesgericht erstmals betragsmässig konkretisiert, ab wann ein sehr hohes Einkommen vorliegt, bei dem die Akzessorietät nicht mehr von Bedeutung ist. Dies ist der Fall bei einer jährlichen Entschädigung, die höher ist als der fünffache Medianlohn in der Privatwirtschaft. Der Medianlohn ist der mittlere Lohn in einer untersuchten Gruppe, d.h. es verdienen genau gleich viele Personen mehr bzw. weniger. Im Gegensatz dazu berechnet sich der Durchschnittslohn aus der Gesamtlohnsumme geteilt durch die Anzahl Köpfe. Liegt ein sehr hohes Einkommen vor, gilt ein vertraglich nicht zwingender Bonus als freiwillige Gratifikation und nicht als geschuldeter Lohnbestandteil.

Bei der Festsetzung dieser Grenze zum sehr hohen Einkommen hat das Bundesgericht die kantonale Rechtsprechung und die Doktrin beigezogen. In kantonalen Entscheiden sind Entschädigungen zwischen rund 250 000 und rund 700 000 Franken als sowohl den Durchschnittslohn als auch die Kosten für einen angemessenen Lebensunterhalt wesentlich übersteigend bezeichnet worden. Die Doktrin hingegen schlägt diesbezüglich Beträge von rund 280 000 bis rund 2 000 000 Franken vor. Bei der Bestimmung der Schwelle zum sehr hohen Einkommen gilt es zu präzisieren, dass das Total der Entschädigungen während eines Jahres zu berücksichtigen ist, das heisst der Lohn und der auf der Vorjahresbasis berechnete und ausbezahlte Bonus.

Dem eingangs erwähnten Urteil des Bundesgerichts lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Ein Bankangestellter erhielt während Jahren einen Grundlohn und einen Bonus. 2008 betrug seine Entschädigung insgesamt 2,05 Mio Franken, bestehend aus 300 000 Franken Grundlohn,

760 000 Franken Aktienanteil und 990 000 Franken Cash-Bonus, berechnet auf den Daten von 2007. Im Januar 2009 hat der Arbeitnehmer ein neues Vergütungssystem der Bank akzeptiert, das eine Rückforderung pro rata vorsah, insbesondere wenn der Arbeitnehmer die Bank innert zweier Jahre verlassen würde. Im Februar 2009 erhielt der Arbeitnehmer einen Cash-Bonus von 848 000 Franken und im März 2009 kündigte er auf Ende Juni 2009. Die Bank stellte ihn umgehend frei und verrechnete eine Rückforderung von drei Vierteln seines Cash-Bonus. Somit erhielt der Arbeitnehmer 2009 einen Grundlohn von 150 000 Franken (für sechs Monate) und einen Cash-Bonus von 212 000 Franken. Der damalige Medianlohn betrug rund 5 900 Franken bzw. 70 800 Franken pro Jahr, ergibt multipliziert mit fünf 354 000 Franken für ein ganzes Jahr oder 177 000 Franken für sechs Monate. Mit den bereits erhaltenen rund 360 000 Franken war die Schwelle zum sehr hohen Einkommen überschritten. Somit war die Akzessorietät gemäss Bundesgericht nicht mehr zu berücksichtigen und die Cash-Bonuszahlung war freiwillig und nicht geschuldet.

Akzessorietät zwischen Lohn und Bonus

Übersteigt die jährliche Gesamtentschädigung diese Schwelle des fünffachen Medianlohns nicht, ist das Kriterium der Akzessorietät anzuwenden. Danach kann gemäss Bundesgericht ein Bonus unabhängig vom Parteiwillen immer nur dann eine (freiwillige) Gratifikation darstellen, wenn sie im Vergleich zur sonstigen Entschädigung akzessorisch erscheint, also als untergeordnetes Zusatzentgelt zum übrigen Lohn hinzutritt. Es ist mit dem Charakter der ganzen oder teilweisen Freiwilligkeit der Gratifikation nicht vereinbar, dass bei einem Arbeitsvertrag die Entschädigung ausschliesslich in einer Gratifikation besteht. Der Arbeitsvertrag ist definitionsgemäss entgeltlich. Es kann aber auch nicht genügen, dass ein kleiner Lohn und dafür eine grosse Gratifikation vereinbart werden. Bei der Prüfung der Akzessorietät sind gemäss Bundesgericht folgende Faktoren von Bedeutung: Das Verhältnis zwischen Lohn und Gratifikation, die Höhe des geschuldeten Lohns, die Höhe der Gratifikation sowie die Regelmässigkeit der Zahlung. Das Bundesgericht nennt keine allgemein gültigen Verhältniszahlen oder Obergrenzen von Lohn bzw. Gratifikation, sondern nimmt eine Beurteilung im konkreten Einzelfall vor. Aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann Folgendes festgehalten werden: Der akzessorische Charakter ist dann kaum mehr gewahrt, wenn die Gratifikation regelmässig einen höheren Betrag erreicht als der Lohn. Beträgt der Jahreslohn mehr als 100 000 Franken, ist eine regelmässige Gratifikation von 25% des Jahreslohns möglich.

Bei fehlender Akzessorietät ist der Bonus (teilweise oder ganz) Lohnbestandteil. Daraus folgt, dass bei unterjährigem Austritt auch ein pro rata Anspruch besteht. Zudem wäre die oft gesehene Bedingung, dass ein Bonus nur ausbezahlt wird, wenn das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt ist bzw. bis zu einem bestimmten Datum noch besteht, unzulässig.

Kommentar

Bei einer vertraglichen Bonusregelung, die nicht zwingend sein soll, ist ausdrücklich ein Freiwilligkeitsvorbehalt vorzusehen (um sicher zu gehen auch bei jeder einzelnen Auszahlung) und die Gewährung des Bonus vom Ermessen des Arbeitgebers abhängig zu machen. Beträgt die jährliche Entschädigung (Lohn und Bonus) nicht mehr als der fünffache Medianlohn in der Privatwirtschaft, ist zudem darauf zu achten, dass die Akzessorietät zwischen Lohn und Bonus gewahrt ist.

Den Abonnenten Beratung und Beratung 360° vorbehalten Abonnieren Sie sich

Eine Kategorie wählen:

Laden….