Konfliktregelung im Unternehmen

1. November 2012

Konfliktregelung im Unternehmen

Gemäss Bundesgericht (Entscheid 2C_462/2011 vom 9. Mai 2012) kann die Behörde einem Unternehmen die Massnahme auferlegen, eine Vertrauensperson zu bezeichnen, um allfälligen internen Konflikten vorzubeugen. Die Vertrauensperson muss für die Geheimhaltung der Gespräche garantieren, und sie darf, falls sie sich in einer bereits bestehenden internen Struktur befindet, in keiner Linienfunktion zu den betroffenen Arbeitnehmern stehen. Diese Massnahme kann aber nur auferlegt werden, wenn sie im Einzelfall angesichts der Eigenheit des Unternehmens verhältnismässig ist.

Sachverhalt

Auf Grund eines gravierenden Arbeitskonflikts, der zu einer Arbeitsunfähigkeit und Hospitalisation einer Arbeitnehmerin führte, hat das „Office cantonale genevoise de l’inspection et des relations du travail“ auf Anzeige hin eine Untersuchung eingeleitet. Es kam zum Schluss, dass das Dispositiv der Konfliktregelung im Betrieb mit rund zehn beschäftigten Arbeitnehmern wirkungslos war und nicht geeignet, den Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer vor den psychosozialen Risikofaktoren zu gewährleisten. Die Behörde auferlegte dem Unternehmen die Massnahme, eine Regelung zu verfassen, die Vertrauenspersonen ausserhalb der Hierarchie vorsah, an die sich das Personal bei Konflikten für Ratschläge und die Unterstützung bei der Suche nach einer Lösung der Probleme wenden konnte. Das Unternehmen zog die Angelegenheit weiter bis ans Bundesgericht und machte im Wesentlichen geltend, dass für die auferlegte Massnahme keine gesetzliche Grundlage bestehe.

Genügende gesetzliche Grundlage

Das Bundesgericht stützte seinen Entscheid auf Artikel 6 des Arbeitsgesetzes (ArG). Danach ist der Arbeitgeber verpflichtet, zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer alle Massnahmen zu treffen, die nach der Erfahrung notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar und den Verhältnissen des Betriebes angemessen sind. Er hat im Weiteren die erforderlichen Massnahmen zum Schutz der persönlichen Integrität der Arbeitnehmer vorzusehen und insbesondere die betrieblichen Einrichtungen und den Arbeitsablauf so zu gestalten, dass Gesundheitsgefährdungen und Überbeanspruchungen der Arbeitnehmer nach Möglichkeit vermieden werden. Gemäss Artikel 2 der Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz (ArGV3) muss der Arbeitgeber alle Massnahmen treffen, die nötig sind, um den Gesundheitsschutz zu wahren und zu verbessern und die physische und psychische Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten. Um zu bestimmen, welche konkreten Massnahmen der Arbeitgeber treffen muss, sind gemäss Bundesgericht nicht nur die Verordnungen zu berücksichtigen, sondern auch die verschiedenen Empfehlungen und die dem Stand der Technik entsprechenden Normen. In diesem Zusammenhang sind die Wegleitungen des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) zum ArG und seinen Verordnungen zu erwähnen, die mittels praktischer Beispiele erklären, wie die Gesetzgebung zu interpretieren und anzuwenden ist. In seiner Wegleitung betreff end Artikel 2 ArGV3 (Anhang vom Mai 2011) hat das SECO den Akzent auf die Vorbeugung gegen psychosoziale Risikofaktoren in der Arbeit gelegt. Als psychosoziale Risikofaktoren in der Arbeit werden psychische Arbeitsbelastungen bezeichnet, die beeinträchtigende Auswirkungen auf die Gesundheit haben, sowie psychosoziale Belästigungen, welche die persönliche Integrität der Arbeitnehmer beeinträchtigen. Es zählt bestimmte wichtige Massnahmen auf, die der Arbeitgeber treffen muss. Darunter erscheint auch die Bezeichnung einer internen oder externen Vertrauensperson des Betriebs, an die sich die betroffenen Arbeitnehmer im Konfliktfall wenden können. Dabei ist es wichtig, dass diese Vertrauensperson über die nötige Ausbildung für diese Aufgabe verfügt und ein Vertrauensverhältnis zu den Ratsuchenden bestehen kann (Schweigepflicht, keine Linienfunktion). Das Bundesgericht schliesst daraus, dass es aus der Sicht der Gesetzmässigkeit sicher möglich ist, von einem Unternehmen die Bezeichnung einer solchen Vertrauensperson zu verlangen, um internen Konflikten vorzubeugen. Wie vom SECO befürwortet, ist es jedoch notwendig, dass diese Person die Geheimhaltung der Gespräche, die sie mit den Arbeitnehmern des Unternehmens führen wird, garantiert. Und falls sich die Vertrauensperson in einer bereits bestehenden internen Struktur befindet, darf sie in keiner Linienfunktion zu den betroffenen Arbeitnehmern stehen.

Verhältnismässige Massnahme

Für die Anordnung behördlicher Massnahmen zum Schutz des Arbeitnehmers muss ein praktisches Bedürfnis bestehen, sie müssen dem aktuellen Stand der Technik entsprechen und angesichts der Eigenheit des Betriebs verhältnismässig sein. Ob die letztgenannte Voraussetzung erfüllt ist, beurteilt sich nach Art und Grösse des Betriebs einerseits und dem Ausmass der Risiken andererseits. Die auferlegten Massnahmen müssen für den Betrieb wirtschaftlich tragbar sein und deren Kosten in einem vernünftigen Verhältnis zu deren Wirksamkeit stehen, wobei aber dem Gesundheitsschutz stets erste Priorität zukommt. Für das Bundesgericht ist die Bezeichnung einer Vertrauensperson grundsätzlich ein angemessenes Mittel der Vorbeugung von Konflikten in einem Unternehmen. Jedoch kann die Art der Konfliktregelung von der Unternehmensstruktur und der Anzahl beschäftigter Arbeitnehmer abhängen. Gemäss Bundesgericht ist beispielsweise vorstellbar, dass sich kleine und mittlere Unternehmen an ihren Branchenverband wenden, um ein gemeinsames System der Konfliktregelung zu erarbeiten. Da die Massnahme auf die Prävention abzielt, muss sie schnell greifen, bevor der Konflikt ausartet und von einem Gericht behandelt werden muss. Es geht nicht darum, eine komplizierte und teure Struktur aufzustellen, sondern nur eine oder mehrere Vertrauenspersonen zu bezeichnen, ausserhalb einer Linienfunktion, im oder ausserhalb des Unternehmens, an die sich das Personal in vollem Vertrauen wenden kann.

Das Bundesgericht ist der Ansicht, dass die auferlegte Massnahme im zu beurteilenden Fall angemessen war, sowohl in Bezug auf das Interesse des Unternehmens, als auch der Gesellschaft im Allgemeinen, psychischen Beeinträchtigungen vorzubeugen, unter Berücksichtigung der Abwesenheiten, des Produktivitätsverlustes und der daraus entstehenden Kosten. 

Kommentar

Auf Grund der Klarheit dieses Bundesgerichtsentscheides können wir nur allen Unternehmen empfehlen, ihrer Eigenheit entsprechende vorbeugende Massnahmen hinsichtlich der internen Konfliktregelung zu treffen. Im Übrigen sei noch darauf hingewiesen, das OR 328 dem Arbeitgeber dieselbe Pflicht wie ArG 6 auferlegt. Dies bedeutet, dass das Gesagte grundsätzlich auch gilt für Betriebe oder Arbeitnehmer, die nicht den Gesundheitsschutzbestimmungen des ArG unterstehen. Jedoch wäre im Streitfall der Rechtsweg ein anderer.

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