Kündigung von älteren und langjährigen Arbeitnehmern: Was ist zu beachten?

8. Dezember 2023

Kündigung von älteren und langjährigen Arbeitnehmern: Was ist zu beachten?

Kündigungsfreiheit und ihre Schranken

Arbeitsverträge, auf welche das Obligationenrecht (OR) Anwendung findet, können ohne Begründung und (Rechtfertigungs-)Grund ordentlich gekündigt werden. Auf Verlangen ist die kündigende Partei hingegen verpflichtet, eine schriftliche Begründung vorzulegen. Ihre Schranken findet die Kündigungsfreiheit indessen im Missbrauchsverbot. 

Der sachliche Kündigungsschutz gemäss Art. 336 OR knüpft grundsätzlich am Motiv der Kündigung an und führt mehrere Gründe an, aufgrund deren sich eine Kündigung als missbräuchlich erweisen kann. So ist eine Kündigung u.a. missbräuchlich, wenn sie einzig aufgrund des fortgeschrittenen Alters als persönlicher Eigenschaft einer Person ausgesprochen wird. Soweit indessen diese Eigenschaft die Zusammenarbeit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder in einem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis steht, liegt keine Missbräuchlichkeit vor. Sofern ältere Arbeitnehmer nicht mehr über die Fähigkeiten verfügen, die anfallende Arbeit zu bewältigen, bspw. aufgrund des Einsatzes neuer Technologien, so hängt dies mit dem Arbeitsverhältnis zusammen. Eine deswegen erfolgte Kündigung wäre entsprechend nicht missbräuchlich (vgl. BGer 4A_72/2008 vom 27. Mai 2008, wiedergegeben in: Missbräuchliche Kündigung: Beispiele aus der Gerichtspraxis).

Die Aufzählung in Art. 336 OR ist nicht abschliessend. Die Gerichte haben weitere Gründe für das Vorliegen einer missbräuchlichen Kündigung anerkannt. Eine zulässige Kündigung kann insbesondere auch aufgrund der Art und Weise der Kündigung missbräuchlich sein. Die kündigende Partei muss das Gebot schonender Rechtsausübung beachten.

Das Gebot der schonenden Rechtsausübung

Soweit die drei Voraussetzungen älterer, langjähriger und kurz vor Pensionierung stehender Arbeitnehmer alle gleichzeitig erfüllt sind, fordert das Bundesgericht eine erhöhte Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Dies äussert sich darin, dass eine Kündigung durch den Arbeitgeber zwar nicht ausgeschlossen ist, er diese aber schonend ausüben muss. M.a.W. hat er auch die Interessen des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Gemäss Bundesgericht bedingt dies insbesondere, dass der Arbeitgeber zum einen den Arbeitnehmer frühzeitig über die beabsichtigte Kündigung in Kenntnis setzt und zum anderen eine die konkreten Umstände des Einzelfalls berücksichtigende, sozialverträglichere Alternative zur Kündigung zwecks Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses zumindest prüft[1].

Sachverhalt

Dem Urteil BGer 4A_117/2023 vom 15. Mai 2023 lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Arbeitnehmer war während 30 Jahren als Koch in einem Restaurant angestellt, zuletzt als stellvertretender Küchenchef. Der Arbeitgeber kündigte dem 64 Jahre alten Arbeitnehmer rund 11 Monate vor dessen Pensionierung. Der Arbeitnehmer war im Zeitpunkt der Kündigung zumindest teilweise arbeitsfähig und auch nicht krankgeschrieben. Die Krankentaggeldversicherung (KTG) hatte die maximalen Krankentaggelder für diesen Leistungsfall im Zeitpunkt der Kündigung indessen bereits erbracht. Arbeitnehmer und Arbeitgeber wurden auf den Umstand der bevorstehenden Ausschöpfung der maximalen Krankentaggeldleistungen von der KTG rund zwei Monate vor der tatsächlichen Ausschöpfung informiert.

Der Arbeitnehmer machte eine missbräuchliche Kündigung geltend und forderte eine Entschädigung (Art. 336 OR) sowie Lohnersatz (Art. 23 L-GAV). Das Arbeitsgericht Zürich sprach dem Arbeitnehmer wegen missbräuchlicher Kündigung eine Entschädigung in Höhe von 4 ½ Monatslöhnen zu. Das Obergericht Zürich wies die vom Arbeitgeber dagegen erhobene Berufung ab, woraufhin der Arbeitgeber den Entscheid an das Bundesgericht weiterzog. Der Arbeitgeber bestritt im Beschwerdeverfahren vor Bundesgericht nicht, dass die Gegenpartei als älterer Arbeitnehmer mit langer Dienstzeit gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung anzusehen wäre. Er kritisierte aber, dass die Vorinstanz nicht alle Umstände des Einzelfalles berücksichtigt hätte und macht dabei im Wesentlichen Folgendes geltend:

  • Das Schreiben der KTG betreffend Ankündigung der bevorstehenden Ausschöpfung der Krankentaggeldern hätte der Arbeitnehmer als sinngemässe Vorwarnung für die später ausgesprochene Kündigung verstehen müssen.
  • Die Kündigung sei für den Arbeitnehmer weder unvermittelt noch unerwartet gekommen, da die Sperrfrist von 180 Tagen gemäss Art. 336c Abs. 1 lit. b OR im Zeitpunkt der Kündigung längst abgelaufen gewesen sei.
  • Durch die ausgesprochene Kündigung habe der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer erst ermöglicht, den nach Einstellung der Krankentaggeldleistungen entstehenden massiven Lohneinbussen zu entgehen. Erst durch die Kündigung habe dieser den fehlenden Lohnersatz bei der zuständigen Sozialversicherung einfordern können. Durch die Kündigung habe der Arbeitgeber seine Fürsorgepflicht demzufolge nicht verletzt, sondern sei dieser vielmehr nachgekommen.
  • Der Arbeitgeber sei auf ein voll funktionierendes Team angewiesen gewesen, weshalb die Kündigung auch aus betrieblichen Gründen unabdingbar gewesen sei.
  • Die Kündigung sei einzig aufgrund der mit dem schweren Knieleiden des Arbeitnehmers einhergehenden langen Arbeitsunfähigkeit und der letztlich nicht mehr gegebenen Einsatzfähigkeit des Arbeitnehmers, jedoch keinesfalls aufgrund von dessen Alter, erfolgt.

Bundesgericht: Missbräuchlichkeit aufgrund der Art und Weise der Ausübung des Kündigungsrechts

Der Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich wurde vom Bundesgericht unter Verweis auf deren Urteilserwägungen geschützt. Die Vorinstanz erwog, der Arbeitnehmer hätte nach einer jahrzehntelangen Zusammenarbeit nicht mit einer Kündigung rechnen müssen – auch nicht aufgrund der Tatsache des Ablaufs einer Sperrfrist. Auch das Argument, wonach der Arbeitgeber mit der Kündigung dafür gesorgt habe, dass der Arbeitnehmer sich bei einer Sozialversicherung anmelden und dort Lohnersatz beanspruchen konnte, lehnte das Obergericht ab. Der Arbeitgeber werde von seiner Pflicht, mit dem Arbeitnehmer zusammen nach einer sozialverträglicheren Alternative zu suchen auch dann nicht entbunden, wenn die Kündigung, die für den Arbeitnehmer finanziell günstigere Lösung gewesen wäre. Zum Argument des Arbeitgebers, die betriebliche Notwendigkeit der Kündigung betreffend, hielt das Bundesgericht fest, dass eine Kündigung nach langer Dienstdauer und kurz vor der Pensionierung stets eine schonende Rechtsausübung verlange. Von einer reinen Alterskündigung sei niemand ausgegangen.

Wer gilt grundsätzlich als «älterer» bzw. als «langjähriger» Arbeitnehmer?

Das Bundesgericht hat bislang keine eindeutige Einordnung, in welchen Fällen die Arbeitgeber die erhöhte Fürsorgepflicht einzuhalten haben, vorgenommen. Angesichts der bisherigen Rechtsprechung kann, im Sinne einer Faustregel, indessen davon ausgegangen werden, dass Personen ab dem 55. Altersjahr in die Kategorie der älteren Arbeitnehmer und Personen, die zwischen 6 und 20 Jahren bei dem gleichen Unternehmen gearbeitet haben, als langjährig gelten. Die vom Bundesgericht geforderte Dienstzeit dürfte indessen weniger lang sein, je älter der Arbeitnehmer ist, damit eine erhöhte Fürsorgepflicht gilt.

Wie hat der Arbeitgeber nach «sozialverträglicheren Alternativen» zur Kündigung zu suchen und was sollte dabei beachtet werden?

Die Suche nach alternativen Lösungen, die es ermöglichen sollen, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen und eine Kündigung zu vermeiden, kann gemäss Bundesgericht etwa mittels Durchführung von Einzel- und Gruppengesprächen, über Ansetzung von Bewährungsfristen und Zielvereinbarungen mit regelmässig stattfindenden Kontrollen, Coachings, Fortbildungen oder eine Vereinbarung von konkreten Verhaltensweisen oder ähnlichen Massnahmen geschehen. Zielvereinbarungen sollten unter dem Hinweis ergehen, dass deren Erfüllung wesentlich für eine Weiterbeschäftigung ist. Der Arbeitgeber tut gut daran aus Beweisgründen sämtliche Massnahmen zu dokumentieren. Wenn schliesslich auch diese Massnahmen nicht fruchten sollten, obwohl der Arbeitgeber seiner erhöhten Fürsorgepflicht nachgekommen ist, könnte die Kündigung als letzter Ausweg erfolgen und gilt dann nicht als missbräuchlich.

Kommentar

Arbeitgeber müssen besondere Vorsicht walten lassen, um dem Gebot der schonenden Rechtsausübung zu genügen. Die bisherige bundesgerichtliche Rechtsprechung bezüglich der Frage, was dies konkret bedeutet, erscheint indessen bis heute als wenig gefestigt. Wie das vorliegende Urteil deutlich macht, gibt es Konstellationen, in welchen der Arbeitgeber sicherheitshalber sozialverträgliche Massnahmen prüfen sollte, bevor er zu einer allfälligen Kündigung schreitet, um sich nicht dem Vorwurf der Missbräuchlichkeit der Kündigung auszusetzen.


[1] BGE 132 III 115, E. 2.1–2.4. und 5.3–5.5; BGer 4A_44/2021 vom 2. Juni 2021, E. 4.3.2; BGer 4A_384/2014 vom 12. November 2014, E. 4.2.2 und 5.2

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