Der Handelsreisendenvertrag ist ein Arbeitsvertrag, der besonderen Vorschriften unterliegt (Art. 347 ff. OR). In der Praxis stellen sich oft Fragen im Zusammenhang mit der Entlöhnung des Handelsreisenden, auf die in diesem Beitrag eingegangen wird.
Als Handelsreisende gelten Arbeitnehmende, die überwiegend, also zu mehr als der Hälfte der Arbeitszeit im Aussendienst gegen Lohn Geschäfte für den Arbeitgeber abschliessen oder vermitteln (Art. 347 Abs. 1 OR). Die Tätigkeit muss hauptberuflich ausgeübt werden; gelegentliche oder vorübergehende Tätigkeiten für den Arbeitgeber fallen nicht darunter (Art. 347 Abs. 2 OR).
Der Handelsreisende unterliegt wie jeder Arbeitnehmende der Sorgfalts- und Treuepflicht. Er hat namentlich die Weisungen des Arbeitgebers in Bezug auf Kundenbesuche und Preise zu befolgen, regelmässig Bericht zu erstatten, eingegangene Bestellungen sofort weiterzuleiten und darf ohne Zustimmung weder für eigene noch für fremde Rechnung Geschäfte tätigen (Art. 348 OR).
Handelsreisende ist von Gesetzes wegen berechtigt, Vertragsverhandlungen zu führen. Zum Vertragsabschluss im Namen des Arbeitgebers ist er jedoch nur befugt, wenn dies schriftlich vereinbart wurde (Art. 348b OR). In diesem Fall darf er alle zur Geschäftserledigung nötigen Rechtshandlungen vornehmen; jedoch ohne ausdrückliche Zustimmung weder Zahlungen von Kunden entgegennehmen noch Zahlungsfristen gewähren. Besondere Regeln gelten im Versicherungsvertrag.
Auf den Handelsreisendenvertrag sind die allgemeinen Vorschriften über den Arbeitsvertrag (Art. 319 ff. OR) ergänzend anwendbar (Art. 355 OR).
Die Vergütung des Handelsreisenden kann drei Formen annehmen (vgl. Art. 349a OR):
1) Fester Lohn, mit oder ohne Provision
Bezieht der Arbeitnehmer ausschliesslich oder hauptsächlich einen festen Lohn, muss dessen Höhe schriftlich vereinbart werden. Fehlt eine solche Abmachung, ist die übliche Vergütung unter Berücksichtigung der Umstände geschuldet (Art. 347a Abs. 1 lit. c und Abs. 2 OR).
Eine Provision zusätzlich zum Fixlohn ist nicht zwingend, in der Praxis jedoch üblich. Der Handelsreisende muss selbst entscheiden, ob der angebotene Fixlohn für ihn angemessen ist. Um Missverständnisse zu vermeiden, empfiehlt es sich, im Vertrag ausdrücklich festzuhalten, dass keine Provision geschuldet ist, falls dies gewollt ist.
2) Hauptsächlich oder ausschliesslich provisionsbasierte Vergütung
Die Parteien können schriftlich vereinbaren, dass der Lohn ausschliesslich oder vorwiegend in einer Provision bestehen soll (Art. 349a Abs. 2 OR). Eine entsprechende Vereinbarung ist gültig, wenn die Provision eine angemessene Entschädigung für die Tätigkeit des Handelsreisenden darstellt (Art. 349a Abs. 2 OR).
Nach der Rechtsprechung ist eine hauptsächlich provisionsbasierte Vergütung angemessen, wenn sie dem Reisenden ein Einkommen sichert, das ein anständiges Leben ermöglicht, unter Berücksichtigung seines Arbeitseinsatzes, seiner Ausbildung, Dienstjahre, seines Alters und seiner sozialen Verpflichtungen (BGE 129 II 664). Die gesetzliche Regelung bezweckt nicht, dem Handelsreisenden unabhängig von seinen Leistungen ein Mindesteinkommen zu sichern. Erzielt der Handelsreisende ein zu geringes tatsächliches Entgelt und ist dieser Umstand nicht auf die Vereinbarung zu niedriger Provisionen zurückzuführen, sondern auf seine mangelnde Leistung, so liegt keine Verletzung von Art. 349a Abs. 2 OR vor (BGE 4C.265/2005). Der Arbeitnehmer muss nachweisen, dass die vereinbarte Entlöhnung unangemessen ist.
Beispiele aus der Praxis:
Wenn die Provision zusätzlich zu einem festen Grundlohn ausbezahlt wird, stellt sich die Frage, ab wann sie als Hauptvergütung gilt. Nach einem Teil der Lehre verliert die Provision ihren akzessorischen Charakter und gilt als Hauptvergütung, wenn sobald ihr Anteil mehr als 1/5 der gesamten Entlöhnung ausmacht (AUBERT in: Commentaire du contrat de travail, Dunand/Mahon, Bern 2022, N 21 zu Art. 349a OR).
Für eine Probezeit von höchstens zwei Monaten kann durch schriftliche Vereinbarung der Lohn frei bestimmt werden (Art. 349a Abs. 3 OR). Es handelt sich dabei um eine Ausnahmeregelung zu Art. 349a Abs. 1 und 2 OR in dem Sinn, dass während dieser Zeitspanne die oben genannten Grundsätze keine Anwendung finden. Die Parteien dürfen eine Entlöhnung vereinbaren, die hauptsächlich aus Provisionen besteht und nicht dem Kriterium des angemessenen Lohnes entspricht (AUBERT in: Commentaire du contrat de travail, a.a.O., N 31 zu Art. 349a OR m.w.H.).
Wurde eine einmonatige Probezeit vereinbart, kann nur während diesem einen Monat der Lohn frei bestimmt werden. Ist eine dreimonatige Probezeit vereinbart worden, kann nur während zwei Monaten der Lohn frei gewählt werden. Hält der Arbeitgeber das Schriftformerfordernis für die Bestimmung des Lohnes in der Probezeit nicht ein und ist die Provision unangemessen, schuldet er dem Arbeitnehmer den orts- oder branchenüblichen Lohn.
Ziel darf jedoch nicht sein, den Arbeitnehmer in eine prekäre Situation zu bringen. In jedem Fall ist der gesetzliche Mindestlohn einzuhalten, sofern ein solcher im betreffenden Kanton anwendbar sein sollte.
Während der Lohn unabhängig vom Geschäftsergebnis zum vereinbarten Zeitpunkt geschuldet ist, entsteht der Provisionsanspruch des Handelsreisenden, sobald das Geschäft mit dem Dritten rechtsgültig abgeschlossen wurde (Art. 322b Abs. 1 und 349b Abs. 2 OR). Der Anspruch auf Provision setzt somit voraus, dass der Handelsreisende entweder als blosser Vermittler einen abschlussbereiten Kunden findet oder ein konkretes Geschäft vermittelt. Zudem muss ein Kausalzusammenhang zwischen seiner Tätigkeit und dem Vertragsabschluss bestehen (BGE 128 III 174).
Ist dem Handelsreisenden ein bestimmtes Reisegebiet oder ein bestimmter Kundenkreis ausschliesslich zugewiesen, so ist ihm die verabredete oder übliche Provision auf allen Geschäften auszurichten, die er selbst oder sein Arbeitgeber (auch über Dritte) in diesem Gebiet oder mit dieser Kundschaft abschliesst (Art. 349b Abs. 1 OR). In diesem Fall erhält der Handelsreisende somit auch eine Provision für Geschäfte, an deren Abschluss er nicht direkt beteiligt war (JAR 1984 267; RSJ 1994 388). Umgekehrt besteht kein Provisionsanspruch für Geschäfte, an deren Abschluss er mitgewirkt hat, wenn der Kunde ausserhalb des ihm zugeteilten Gebiets liegt (AUBERT in: Commentaire Romand, 3. Aufl., N 5 zu Art. 349b OR m.w.H.)
Bei Dauerschuldverhältnissen (z.B. Versicherungsverträgen) kann der Anspruch auf Provision an jede einzelne Teilzahlung oder Leistung geknüpft sein (Art. 322b Abs. 2 OR).
Das Gesetz sieht keine ausdrückliche Regelung zu Vorschüssen auf Provisionen vor. In Kantonen mit einem gesetzlichen Mindestlohn kann deren Auszahlung jedoch notwendig sein. Erhält der Handelsreisende Vorschüsse, sollte schriftlich festgehalten werden, ob zu viel bezogene Vorschüsse zurückzuzahlen sind oder als garantierte Mindestvergütung gelten. So lassen sich spätere Streitigkeiten vermeiden. Eine Rückforderung ist nur zulässig, wenn die ohne Vorschüsse erzielte Vergütung dem Grundsatz der angemessenen Entlöhnung oder dem gesetzlichen Mindestlohn entspricht.
Die Parteien können die Berechnungsmodalitäten der Provision – insbesondere deren Höhe und Bemessungsgrundlage – frei festlegen. Diese müssen jedoch klar aus dem Vertrag hervorgehen, um Konflikte zu vermeiden. Gemäss Art. 322c OR ist für die provisionsberechtigten Geschäfte grundsätzlich eine Abrechnung zu erstellen.
Grundsätzlich wird die Provision am Ende des Monats fällig, in dem das Geschäft abgeschlossen wurde (Art. 323 Abs. 2 OR). Die Parteien können kürzere Fristen vereinbaren. Schriftlich kann zudem festgelegt werden, dass bei Geschäften, deren Ausführung mehr als ein halbes Jahr dauert, die Fälligkeit der Provision aufgeschoben wird.
Beim Handelsreisenden bestimmt das Gesetz, dass der Arbeitgeber, wenn der Wert eines Geschäfts bei Fälligkeit der Provision noch nicht genau feststeht, zunächst eine auf einer Mindestschätzung beruhende Zahlung leisten muss. Der Restbetrag wird geschuldet, sobald das Geschäft vollständig ausgeführt ist. Dies betrifft insbesondere Fälle, in denen die Provision vom Markt- oder Börsenpreis zu einem bestimmten Zeitpunkt abhängt. Es handelt sich dabei um besondere Konstellationen, die schriftlich vereinbart werden müssen (Art. 347a lit. c OR). In der Lehre ist umstritten, ob der Arbeitgeber bei einer zu hohen Vorauszahlung berechtigt ist, den Differenzbetrag zurückzufordern (AUBERT in: Commentaire du contrat de travail, a.a.O., N 24 ff. zu Art. 349b OR).
Auch wenn ein Geschäft abgeschlossen und die Provision bereits ausbezahlt wurde, kann der Anspruch des Handelsreisenden erlöschen. Das Gesetz bestimmt, dass keine Provision geschuldet ist, wenn der Arbeitgeber das Geschäft ohne eigenes Verschulden nicht ausführt oder wenn der Dritte seine Verpflichtungen nicht erfüllt (Art. 322b Abs. 3 OR).
Umgekehrt bleibt der Arbeitgeber zur Zahlung der vollen Provision verpflichtet, wenn er für die Nichterfüllung des Geschäfts verantwortlich ist oder nicht alle zumutbaren Massnahmen ergreift, um dessen Ausführung sicherzustellen. Er muss daher alle angemessenen Schritte unternehmen, um den Dritten zur Erfüllung zu bewegen, beispielsweise durch Mahnung, Betreibung oder andere rechtliche Schritte (BGE 4A_367/2018).
Erlischt der Provisionsanspruch nach der Auszahlung, hat der Arbeitnehmer die erhaltenen Provisionen oder Vorschüsse zurückzuerstatten, sofern diese nicht garantiert waren. Auch hier empfiehlt es sich, schriftlich festzuhalten, ob eine Rückerstattungspflicht besteht, um Unklarheiten zu vermeiden.
Bei teilweiser Nichterfüllung wird die Provision anteilig reduziert.
Grundsätzlich hat ein Arbeitnehmer, der ohne eigenes Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert ist, während einer beschränkten Zeit Anspruch auf Lohnfortzahlung (Art. 324a und 324b OR).
Das Gesetz erweitert diesen Anspruch für den Handelsreisenden auf sämtliche Situationen, in denen dieser ohne unverschuldet an der Reisetätigkeit gehindert ist und damit keine Kunden besuchen oder keine neue Geschäfte abschliessen resp. vermitteln kann. Das gilt auch dann, wenn keine eigentliche Arbeitsunfähigkeit vorliegt.
Der Grund für die Verhinderung kann in der Person des Handelsreisenden liegen (z.B. eingeschränkte Mobilität), aber auch durch äussere Umstände verursacht sein, wie bspw. schlechte Wetterverhältnisse, technischer Störungen oder behördlicher Massnahmen usw. (AUBERT in: Commentaire romand du CO I, a.a.O., N 4 zu Art. 349c OR). Die Gründe müssen jedoch erheblich sein und dürfen nicht auf ein Verschulden des Arbeitnehmers zurückzuführen sein.
Der Handelsreisende hat in diesem Fall Anspruch auf Lohnfortzahlung gemäss Art. 324a und 324b OR. Art. 349c OR bestimmt, dass die Berechnung der Entlöhnung auf folgender Grundlage zu erfolgen hat:
Der Handelsreisende soll durch die Verhinderung keinen Einkommensverlust erleiden. Deshalb sind ihm die Provisionen auszurichten, die er erhalten hätte, wenn er nicht verhindert gewesen wäre. Dazu gehören sowohl die Provisionen aus bereits vor der Verhinderung entstandenen Geschäften als auch diejenigen aus Geschäften, die er ohne Verhinderung abgeschlossen oder an deren Abschluss er mitgewirkt hätte.
Da es sich um eine hypothetische Berechnungsgrundlage handelt, ist i.d.R. vom Durchschnitt der während der letzten zwölf Monate erzielten Provisionen auszugehen. Besteht das Arbeitsverhältnis noch keine zwölf Monate, ist der Durchschnitt der bisher erzielten Provisionen heranzuziehen. Das Ergebnis ist den konkreten Umständen anzupassen, namentlich unter Berücksichtigung saisonaler Schwankungen, um eine realitätsnahe Bemessung der Vergütung zu gewährleisten.
Die Parteien können jedoch schriftlich vereinbaren, dass keine Entschädigung für den Ausfall der Provision geschuldet ist, sofern diese weniger als 1/5 des monatlichen Einkommens ausmacht. In diesem Fall ist nur der feste Lohn zu entrichten.
Um festzustellen, ob die Provision unter dieser Schwelle bleibt, ist das übliche Verhältnis zwischen Grundlohn und Provisionen über einen Referenzzeitraum (i.d.R. 12 Monate) zu bestimmen. Beträgt der Anteil der Provisionen 20% oder mehr der Gesamtvergütung des Handelsreisenden, findet Art. 349c Abs. 2 OR keine Anwendung. In diesem Fall ist die gesamte übliche Vergütung zu entrichten, bestehend aus dem festen Lohn und einer angemessenen Entschädigung für den Ausfall der Provision.
Ist der Handelsreisende am Reisen, nicht aber an der Arbeit selbst gehindert und bezieht weiterhin seinen vollen Lohn, kann der Arbeitgeber von ihm verlangen, im Betrieb andere zumutbare Arbeiten zu übernehmen, die seiner Funktion und seinen Fähigkeiten entsprechen (Art. 349c Abs. 3 OR). Während einer solchen Reiseverhinderung kann dem Handelsreisenden also vorübergehend eine andere Tätigkeit zugewiesen werden, gestützt auf seine Treuepflicht und gegen volle Entlöhnung ohne zeitliche Begrenzung. Die übertragenen Aufgaben müssen jedoch in einem sachlichen Zusammenhang mit seiner üblichen Tätigkeit stehen. Dazu gehören insbesondere administrative Arbeiten, die Pflege von Kunden- oder Auftragslisten, die Aktualisierung von Unterlagen oder der Empfang von Anrufen und Kunden.
Grundsätzlich hat der Handelsreisende nur Anspruch auf eine Provision für Geschäfte, die rechtsgültig abgeschlossen wurden. Bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gilt jedoch eine Ausnahme: Der Handelsreisende erhält in diesem Fall nicht nur Provisionen für die von ihm abgeschlossenen oder ausgehandelten Geschäfte (Art. 322b Abs. 1 OR), sondern auch für alle Aufträge, die er bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses an den Arbeitgeber weitergeleitet hat – unabhängig davon, wann diese angenommen oder ausgeführt werden (Art. 350a OR).
In solchen Fällen ist das Geschäft oft noch nicht vollständig abgeschlossen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts entsteht der Provisionsanspruch aber bereits dann, wenn der Kunde seine grundsätzliche Zustimmung gegeben hat (BGE 92 II 102). Dadurch stehen die Ansprüche des Arbeitnehmers bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses klar fest, und die Abrechnung kann sofort erfolgen. Für den Arbeitgeber besteht jedoch das Risiko, dass er eine Provision bezahlt, obwohl das Geschäft später nicht zustande kommt oder nicht ausgeführt wird. Da Art. 350a OR eine zwingende Sonderregelung darstellt, dürfen die Parteien u.E. nicht vereinbaren, dass der Arbeitnehmer in einem solchen Fall die Provision zurückzahlen muss (vgl. AUBERT, Commentaire du contrat de travail, a.a.O., N 10 zu Art. 350a OR).
Für den Zeitpunkt der Fälligkeit der Provision gilt Art. 339 Abs. 1 OR: Alle Forderungen werden mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses fällig (BGE 116 II 700). Die Parteien können jedoch schriftlich vereinbaren, dass die Auszahlung der Provision für höchstens sechs Monate hinausgeschoben wird. Dies ist zulässig, wenn das Geschäft ganz oder teilweise erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgeführt wird. Bei Geschäften mit gestaffelter Erfüllung darf die Fälligkeit nicht mehr als ein Jahr und bei Versicherungsverträgen sowie Geschäften, deren Durchführung mehr als ein halbes Jahr erfordert, nicht mehr als zwei Jahre hinausgeschoben werden (Art. 339 Abs. 2 OR).
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