Probeweise arbeiten

1. Februar 2012

Probeweise arbeiten

Probeweises Arbeiten oder so genannte „Schnupperhalbtage“ sind in vielen Betrieben üblich. Betrifft es Ausländer, kann sich die Frage stellen, ob es bereits dafür eine Arbeitsbewilligung braucht. Im Entscheid 6B_277/2011 vom 3. November 2011 kam die strafrechtliche Abteilung des Bundesgerichts zum Schluss, dass Probearbeit keine bewilligungspflichtige Erwerbstätigkeit darstellt.

Beschäftigung von Ausländern ohne Bewilligung

Wer als Arbeitgeber vorsätzlich Ausländer beschäftigt, die in der Schweiz nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt sind, wird nach Artikel 117 Absatz 1 des Ausländergesetzes (AuG) bestraft. Als Erwerbstätigkeit gilt jede üblicherweise gegen Entgelt ausgeübte unselbständige oder selbständige Arbeit, selbst wenn sie unentgeltlich erfolgt (AuG 11/2). Der Arbeitgeber hat sich vor dem Stellenantritt des Ausländers durch Einsicht in den Ausweis oder durch Nachfrage bei der zuständigen Behörde zu vergewissern, dass die Berechtigung zur Erwerbstätigkeit in der Schweiz besteht (AuG 91/1). 

Probearbeit als nicht bewilligungspflichtige Erwerbstätigkeit

Dem eingangs erwähnten Entscheid des Bundesgerichts stand folgender Sachverhalt zu Grunde: Der Geschäftsführer eines Restaurants hatte einen Bewerber für eine Stelle als Küchenhilfe am 18. und 19. August 2009 über die Mittagszeit während je maximal 90 Minuten in der Küche probeweise und unentgeltlich arbeiten lassen. Der Bewerber verfügte jedoch lediglich über einen Ausweis N für Asylsuchende ohne Arbeitsbewilligung. Rund vier Wochen später, nachdem der Arbeitsvertrag abgeschlossen worden war und der Arbeitgeber die Arbeitsbewilligung eingeholt hatte, trat der Bewerber die Stelle als Küchenhilfe tatsächlich an. Im Sommer 2010 wurde der Geschäftsführer in erster Instanz wegen Beschäftigung eines Ausländers ohne Bewilligung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu 30 Franken, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von vier Jahren, verurteilt. Das Obergericht des Kantons Zürich hiess die vom Geschäftsführer dagegen erhobene Berufung gut und sprach ihn von Schuld und Strafe frei. Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragte daraufhin beim Bundesgericht die Aufhebung des Entscheids des Obergerichts.

Zu klären galt es die Frage, ob das probeweise Arbeiten schon als bewilligungspflichtige Erwerbstätigkeit im Sinn des Ausländergesetzes zu qualifizieren ist. Die Lehre stellt diesbezüglich darauf ab, ob die Aufnahme der Tätigkeit durch die ausländische Person einen Einfluss auf den Schweizer Arbeitsmarkt hat. Gemäss Obergericht hat der Geschäftsführer den Bewerber zweimal während je maximal 90 Minuten unentgeltlich Arbeit verrichten lassen, die gemeinhin gegen Entgelt geleistet wird. Damit wollte er abklären, ob sich dieser für die zu besetzende Stelle eignen würde. Er hatte demnach noch keinen Entscheid über die Anstellung getroffen. Auch ist noch kein (konkludenter oder ausdrücklicher) Arbeitsvertrag abgeschlossen worden. Die Parteien befanden sich somit in laufenden Vertragsverhandlungen, und der probeweise Einsatz war Teil des Evaluationsverfahrens. Dieser Umstand ist gemäss Bundesgericht wesentlich. Im Zentrum steht nicht die Leistung von geldwerter Arbeit durch den Bewerber, sondern die Bewertung der Fähigkeiten eines Kandidaten im Hinblick auf eine allfällige spätere Anstellung. Der probeweise Einsatz ist somit auch gemäss Bundesgericht nicht als Beschäftigung im Sinn von AuG 117/1 zu qualifizieren. 

Keinen Einfluss auf den Schweizer Arbeitsmarkt

Die entsprechende Bewilligung muss erst im Zeitpunkt des Stellenantritts und nach erfolgtem Vertragsabschluss vorliegen. Gemäss AuG 91/1 hat der Arbeitgeber vor dem Stellenantritt des Ausländers Abklärungen zu treffen betreffend die erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit in der Schweiz. Dabei ist auf den Arbeitsbeginn nach Vertragsabschluss abzustellen. Liegt eine Bewilligung nicht vor, ist sie vom Arbeitgeber zu beantragen (AuG 11/3). Nach AuG 22 ist im konkreten Fall nachzuweisen, dass die orts-, berufs- und branchenüblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen eingehalten werden. Diese Bestimmung soll inländische Arbeitnehmer vor Lohn- und Sozialdumping und die ausländischen Arbeitnehmer vor finanzieller Ausbeutung schützen. Zu diesem Zweck hat der Arbeitgeber bei der für die Zulassung zum Arbeitsmarkt zuständigen Stelle einen Arbeitsvertrag einzureichen. Dieser muss Angaben zur Dauer der Erwerbstätigkeit, zu den Anstellungsbedingungen und zur Entlöhnung enthalten. Aus der Notwendigkeit, dem Gesuch den unterzeichneten Arbeitsvertrag beizulegen, erklärt sich, dass die blosse Bewerbung und die für beide Parteien unverbindliche Teilnahme an einem Evaluationsverfahren nicht von einer Bewilligung abhängig sein können. Dass ein ausländischer Bewerber bereits für das Auswahlverfahren und vor dem Vertragsabschluss über eine Arbeitsbewilligung im Sinn vom AuG 18 ff. verfügen müsste, ist gemäss Bundesgericht nicht plausibel geschweige denn praktikabel. Es ist anzunehmen, dass eine entsprechende Tätigkeit im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens keinen Einfluss auf den Arbeitsmarkt hat. Solange die Stelle nicht besetzt wird, wird die Situation von anderen Bewerbern nicht in relevanter Weise tangiert. Der Arbeitsmarkt wird erst durch die Anstellung respektive mit dem Stellenantritt massgeblich beeinflusst. Hier setzen die fremdenpolizeilichen Bestimmungen an, so der Inländervorrang. Danach setzt die Zulassung zu einer unselbständigen Erwerbstätigkeit den Nachweis voraus, dass keine dafür geeigneten inländischen Arbeitnehmer gefunden werden können (AuG 21). Der Arbeitgeber muss entsprechende erfolglose Suchbemühungen nachweisen, indem er beispielsweise die zu besetzende Stelle bei den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) meldet und im Hinblick auf mögliche Kandidaten aus der EU und den EFTA-Staaten im „European Employment Services“ ausschreiben lässt. Dadurch soll sichergestellt werden, dass vorhandene fähige Arbeitskräfte berücksichtigt werden, bevor neue Zulassungen bewilligt werden. 

Kommentar

Auch wenn es sich erfreulicherweise bei der Probearbeit um keine bewilligungspflichtige Erwerbstätigkeit gemäss Ausländergesetz handelt, kann eine solche befristete Tätigkeit unter das Arbeitsvertragsrecht fallen mit allen damit zusammenhängenden Folgen wie beispielsweise Lohnzahlung und Leistung von Sozialversicherungsabgaben. Dies ist dann der Fall, wenn die Tätigkeit üblicherweise nur gegen Entgelt erfolgt.

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