Übliche freie Stunden und Tage

1. Juni 2009

Übliche freie Stunden und Tage

Zusätzlich zur ordentlichen Freizeit ausserhalb der Arbeitszeit ist der Arbeitgeber bei Vorliegen besonderer Gründe verpflichtet, dem Arbeitnehmer ausserordentliche Freizeit zu gewähren. Der im Gesetz (OR 329/3) verwendete Begriff „die üblichen freien Stunden und Tage“ ist wenig konkret und gibt somit immer wieder zu Fragen Anlass. Gemäss Botschaft ist dem Arbeitnehmer während der Arbeitszeit die nötige Freizeit einzuräumen für die Erledigung dringender persönlicher Angelegenheiten und für wichtige Familienanlässe. Die vorliegende Ausgabe soll aufzeigen, für welche Ereignisse dem Arbeitnehmer gemäss OR 329/3 zusätzliche Freizeit zu gewähren ist, für welche Dauer und ob für diese Zeit ein Lohnanspruch besteht.

Die ausserordentliche Freizeit stellt keine unverschuldete Arbeitsverhinderung des Arbeitnehmers im Sinn von OR 324a dar. Diese dort geregelten und entsprechend der Lohnfortzahlung unterliegenden Fälle werden hier nicht behandelt. Ebenfalls nicht erörtert wird das Thema der Gewährung der nach erfolgter Kündigung für das Aufsuchen einer anderen Arbeitsstelle erforderlichen Zeit.

Ereignisse und Dauer der Freizeit

OR 329/3 ist eine relativ zwingende Bestimmung. Somit ist die Übung (Betriebs-, Orts- und Branchenübung) für Anlass, Umfang und zeitliche Lage der zu gewährenden ausserordentlichen Freizeit massgebend. Häufig wird die Gewährung von ausserordentlicher Freizeit jedoch durch Einzel-, Normal- oder Gesamtarbeitsvertrag geregelt. Dabei ist auf die Interessen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers angemessen Rücksicht zu nehmen. In folgenden Fällen ist in der Regel übliche Freizeit anzunehmen: 

Familiäre Ereignisse

  • Heirat oder Eintragung einer Partnerschaft: 2-3 Tage
  • Geburt eines eigenen Kindes: 1 Tag
  • Tod der Mutter, des Vaters, des Ehegatten, des eingetragenen Partners, eines Kindes: 2-3 Tage
  • Andere Todesfälle im engeren Familienkreis (z.B. Bruder, Schwester, Grosseltern, Enkelkinder): 1-2 Tage

Der Zeitpunkt der Freizeit ist an das anspruchsbegründende Ereignis gebunden, d.h. die Freizeit ist grundsätzlich am Tag des Ereignisses zu gewähren. Der Tod eines Angehörigen kann Anlass geben für Freizeit am Todestag, während der Vorbereitung der Bestattung, am Tag der Bestattung oder sogar unmittelbar danach. Auf die Dauer der Freizeit kann manchmal auch die Distanz zwischen Arbeitsort und anspruchsbegründendem Ereignis (Heirat oder Begräbnis im Ausland) einen Einfluss haben. Die persönliche Nähe zwischen Arbeitnehmer und Verstorbenem kann z.B. auch darauf beruhen, dass die Beiden im Zeitpunkt des Todes oder sogar im Verlauf des Lebens einen gemeinsamen Haushalt führten. Die Tatsache, dass der Verstorbene den Arbeitnehmer erzogen hat, kann vom Arbeitgeber auch berücksichtigt werden. So kann es beispielsweise gerechtfertigt sein, einem Arbeitnehmer, der von seiner verstorbenen Grossmutter erzogen worden ist, die gleiche Freizeit zu gewähren wie beim Tod der Mutter oder des Vaters.

Wohnungswechsel

Die übliche Freizeit bei einem Wohnungswechsel beträgt einen Tag. Beim Wechsel in einen anderen Kanton werden häufig zwei Tage gewährt, obschon man hier nicht von einer Übung sprechen kann. Die Gewährung eines Zügeltages setzt voraus, dass die normale Freizeit für den Umzug nicht ausreicht, und eine besondere Arbeitsbefreiung als geboten erscheint. Es besteht kein Nachbezugsrecht.

Kurzabsenzen

Zu den üblichen freien Stunden und Tagen gehören auch Besuche beim Arzt, Zahnarzt und Rechtsanwalt sowie Behördengänge, sofern diese Dinge nicht in der ordentlichen Freizeit erledigt werden können. Gemäss Bundesgericht kann auch die zum Spitalbesuch naher Verwandter erforderliche Zeit dazu gerechnet werden, wenn die Besuchszeiten ein Ausweichen ausserhalb der Arbeitszeit nicht ermöglichen.

Auch bei gleitender Arbeitszeit und Teilzeitarbeit kann grundsätzlich ausserordentliche Freizeit verlangt werden. Angesichts der reduzierten Arbeitszeit kann der Arbeitgeber diese jedoch zurückhaltender gewähren, da es dem Arbeitnehmer eher möglich ist, seine Besorgungen in seiner ordentlichen Freizeit zu verrichten. Der Arbeitgeber kann verlangen, dass die Kurzabsenzen wenn immer möglich in die Gleitzeit bzw. in die ordentliche Freizeit gelegt werden.

Lohnanspruch und Kompensation

Der Gesetzgeber hat keine Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers für die ausserordentliche Freizeit vorgesehen. Den Arbeitnehmern im Monatslohn wird in der Regel trotzdem kein Lohnabzug gemacht. Für Arbeitnehmer mit Stunden- oder Akkordlohn muss die Entschädigung der üblichen freien Stunden und Tage ausdrücklich vereinbart oder üblich sein.

Der Arbeitnehmer ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die wegen Bezugs ausserordentlicher Freizeit ausfallenden Arbeitsstunden nachzuholen. Fehlt ein Lohnanspruch, z.B. mangels Vereinbarung (im Einzelarbeitsvertrag oder GAV) oder Übung, so würde es den Vertragsparteien freistehen, zur Vermeidung einer Lohneinbusse eine Arbeitszeitkompensation vorzusehen.

Wenn die ausserordentliche Freizeit in die Ferien fällt, ist ohne gegenteilige Vereinbarung oder Übung davon auszugehen, dass diese Tage nicht als Ferientage gelten, sofern der Arbeitnehmer ferienunfähig ist.

Kommentar

Da die Dauer der üblichen Freizeit für bestimmte Ereignisse und deren Bezahlung je nach Autor, GAV, Branchen- oder Betriebsübung variiert, empfiehlt sich für den Arbeitgeber, eine einheitliche vertragliche Regelung aufzustellen, und bei der Anwendung nach Treu und Glauben die besonderen Umstände im Einzelfall (Unaufschiebbarkeit des Anlasses, kurzfristige Ersetzbarkeit des Arbeitnehmers, Dauer der Anstellung usw.) zu berücksichtigen.

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