Familienbetrieb gemäss Arbeitsgesetz

1. November 2013

Familienbetrieb gemäss Arbeitsgesetz

Manchmal klärt sich eine rechtliche Unsicherheit schneller als man denkt, sonst hätten wir womöglich mit der Behandlung des Themas „Familienbetrieb gemäss Arbeitsgesetz“ in ARBEITSRECHT Nr. 166 – Oktober 2012 noch etwas zugewartet. Dort haben wir geschrieben: „Ob ein Betrieb als Familienbetrieb gemäss ArG 4 zu qualifizieren ist oder nicht, ist nicht immer klar, insbesondere wenn es sich um eine juristische Person handelt.“ In der Zwischenzeit sind die Bundesgerichtsurteile 2C_886/2012 und 2C_1126/2012 vom 29. Juni 2013 sowie 2C_129/2013 vom 1. Juli 2013 ergangen, die klar besagen, dass eine juristische Person nicht als Familienbetrieb gemäss Arbeitsgesetz (ArG) gelten kann.

Sonntagsarbeit

In den drei eingangs erwähnten Fällen beschäftigten die Arbeitgeber Angestellte an Sonntagen und an Sonntagen gleichgestellten Feiertagen. Gemäss ArG 18 ist Sonntagsarbeit grundsätzlich verboten und gemäss ArG 19 bedürfen Ausnahmen von diesem Verbot einer Bewilligung. Die Voraussetzungen für den Erhalt einer Bewilligung sind in den Artikeln 27 und 28 der Verordnung 1 zum ArG geregelt. Neben diesem Bewilligungsregime sieht ArG 27/1 vor, dass bestimmte Gruppen von Betrieben oder Arbeitnehmern durch Verordnung ganz oder teilweise von den gesetzlichen Vorschriften ausgenommen und entsprechenden Sonderbestimmungen unterstellt werden können, soweit dies mit Rücksicht auf ihre besonderen Verhältnisse notwendig ist. Davon hat der Bundesrat Gebrauch gemacht, indem er die Verordnung 2 zum ArG erlassen hat. Damit profitieren zahlreiche Betriebsarten und Arbeitnehmer von Sonderbestimmungen beispielsweise betreffend die Sonntagsarbeit. In den drei genannten Fällen konnten sich die Arbeitgeber aber nicht auf solche Sonderbestimmungen berufen. Trotzdem beschäftigten sie Arbeitnehmer ohne Bewilligung an Sonntagen und an Sonntagen gleichgestellten Feiertagen. Sie machten alle geltend, ein Familienbetrieb gemäss Arbeitsgesetz zu sein, weshalb das Arbeitsgesetz für sie keine Anwendung finde.

Keine Anwendung des Arbeitsgesetzes auf Familienbetriebe

Das Arbeitsgesetz ist gemäss ArG 4 nicht anwendbar auf Betriebe, in denen lediglich der Ehegatte, die eingetragene Partnerin oder der eingetragene Partner des Betriebsinhabers, seine Verwandten in auf- und absteigender Linie und deren Ehegatten, eingetragene Partnerinnen und Partner sowie seine Stiefkinder tätig sind. In gemischten Familienbetrieben, in denen auch andere als die erwähnten Personen tätig sind, ist das Arbeitsgesetz nur auf diese anwendbar. Auf jugendliche Familienangehörige ist das Arbeitsgesetz anwendbar, sofern diese gemeinsam mit anderen Arbeitnehmern beschäftigt werden (ArGV5 3/2).

In den drei genannten Fällen waren die Unternehmen in der Form von Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) organisiert und es stellte sich die bisher nicht geklärte Grundsatzfrage, ob auch eine juristische Person ein Familienbetrieb gemäss Arbeitsgesetz sein kann.

Ausschluss von juristischen Personen

Die Legaldefinition des Familienbetriebs ist lückenhaft und bedarf einer Auslegung. Der Gesetzgeber hat juristische Personen nicht per se als Familienbetrieb ausgeschlossen. Bisher wurden teilweise Gesellschaften mit beschränkter Haftung aufgrund ihrer personenbezogenen Ausgestaltung unter bestimmten Voraussetzungen als Familienbetriebe gemäss Arbeitsgesetz qualifiziert (vgl. ARBEITSRECHT Nr. 166 – Oktober 2012).

Mit der Ausnahmeregelung für Familienbetriebe in ArG 4 wollte sich der Gesetzgeber nicht in innerfamiliäre Verhältnisse einmischen, Verhältnisse, welche die Unternehmensführung und die Arbeitsbedingungen zwangsläufig beeinflussen, wo nahe Verwandte in einem Klima gegenseitiger Hilfe und nach anderen Modalitäten als unter Fremden zusammen arbeiten. Die Ausnahme des Anwendungsbereichs des Arbeitsgesetzes ist also nur vorgesehen für die in ArG 4 abschliessend genannten Familienverhältnisse. Mit ArG 4/2 wollte der Gesetzgeber verhindern, dass Personen ohne Familienverhältnis mit dem Betriebsinhaber gemäss ArG 4/1 nicht von der Ausnahmeregelung betroffen sind und somit dem Arbeitsgesetz unterstehen. Der Begriff „Betriebsinhaber“ wird im Gesetz nicht definiert. Gemäss Bundesgericht ist es die Familienverbindung zwischen dem Betriebsinhaber und dem Arbeitnehmer, welche den Familienbetrieb definiert. Familienbetriebe können also nur Unternehmen sein, in denen der verantwortliche Arbeitgeber eine natürliche Person und der Eigentümer des Unternehmens ist und dieses führt. Eine juristische Person kann folglich nicht als Familienbetrieb gelten. Das Bundesgericht hat aus diesem Grund den drei betroffenen Gesellschaften mit beschränkter Haftung die Qualität als Familienbetrieb abgesprochen.

Kommentar

Mit dieser bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist die bisherige rechtliche Unsicherheit beseitigt worden. Sie ist klar und lässt keine Ausnahmen zu. Will ein Familienunternehmen seine Rechtsform ändern von einer Personengesellschaft in eine juristische Person (z.B. GmbH oder Aktiengesellschaft) muss es sich bewusst sein, dass damit die privilegierte Stellung als Familienbetrieb gemäss ArG wegfällt und demzufolge insbesondere die Arbeits- und Ruhezeitbestimmungen des ArG anwendbar sind. Unternehmen in der Form einer juristischen Person, z.B. einer GmbH, die sich bisher als Familienbetriebe betrachteten und die arbeitsgesetzlichen Bestimmungen insbesondere über die Arbeits- und Ruhezeit nicht anwendeten, sind aufgrund dieser Bundgerichtsurteile gut beraten, da verpflichtet, sich an die arbeitsgesetzlichen Vorgaben zu halten und die notwendigen Anpassungen vorzunehmen.

Der Inhalt von ARBEITSRECHT Nr. 166 – Oktober 2012 wird durch diese bundesgerichtliche Rechtsprechung in einem wesentlichen Punkt korrigiert, nämlich dass eine juristische Person nicht als Familienbetrieb gemäss Arbeitsgesetz gelten kann. Ansonsten ist er nach wie vor aktuell.  

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