Am 14. Juni 2025 wird gestreikt. Schweizweit gehen Frauen auf die Strasse und fordern Gleichberechtigung. Was bedeutet das nun für den Arbeitgeber? Welche Rechte und Pflichten haben Arbeitgeber und Arbeitnehmende bei einem Streik zu beachten? Der 14. Juni fällt dieses Jahr auf einen Samstag. Es werden also weniger Arbeitgeber betroffen sein. Trotzdem lohnt es sich die rechtlichen Grundlagen aufzuzeigen und praxisrelevanten Fragen zu beantworten.
Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich auf eine ausschliesslich juristische Sichtweise. Der geplante Streik wird weder gesellschaftlich noch politisch gewertet. Anders mag dies für den Arbeitgeber ausfallen. Er muss in sein Tun und Handeln allenfalls auch personal- und geschäftspolitische Aspekte einfliessen lassen.
Die in der Bundesverfassung garantierte Koalitionsfreiheit erklärt den Streik als Ausprägung der Arbeitskampffreiheit für zulässig (Art. 28 BV). Die Zulässigkeit setzt allerdings voraus, dass der Streik «Arbeitsbeziehungen betrifft» und «keine Verpflichtungen entgegenstehen, den Arbeitsfrieden zu wahren oder Schlichtungsverhandlungen zu führen». Was bedeutet dies nun genau? Nur die Teilnahme an einem rechtmässigen Streik verletzt den Arbeitsvertrag nicht. Das Bundesgericht hat die Voraussetzungen eines legitimen Streiks folgendermassen definiert:
Gerade das Erfordernis der Verhältnismässigkeit bietet natürlich Auslegungsspielraum und schafft dadurch Rechtsunsicherheiten. Ist eine Streikaktion nun verhältnismässig oder nicht? Die Ansichten von Arbeitgeber und Arbeitnehmenden liegen interessensbedingt regelmässig auseinander. Im Streitfall wird stets ein Richter entscheiden, ob der Streik mit Bezug auf das Kampfziel verhältnismässig war. Die Rechtsprechung hat wiederholt bestätigt, dass ein Streik unverhältnismässig ist, wenn er das Ultima-ratio-Prinzip verletzt, vorgängig also nicht alle Verhandlungs- und Vermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft wurden (Art. 28 Abs. 2 BV, vgl. auch Art. 6 des Bundesgesetzes über die eidgenössische Einigungsstelle zur Beilegung von kollektiven Arbeitsstreitigkeiten).
Ein weiterer Knackpunkt stellt die Friedenspflicht dar. In der Schweiz sieht die überwiegende Mehrheit der Gesamtarbeitsverträge eine absolute Friedenspflicht vor, obschon rechtlich nur eine relative Friedenspflicht vorgesehen ist (Art. 357a Abs. 2 OR). Bei der relativen Friedenspflicht bezieht sich der Verzicht auf Kampfmassnahmen auf alle im GAV geregelten Punkte. Die absolute Friedenspflicht bedeutet einen Verzicht auf jegliche Kampfmassnahmen während der Vertragsdauer. Ein Streik, den eine Gewerkschaft in Verletzung der Friedenspflicht auslöst, ist nicht mehr rechtmässig.
Zur Beurteilung der Rechtmässigkeit des Frauenstreiks sind die bundesgerichtlichen Voraussetzungen beizuziehen. Spielen wir es durch:
Nebst der Frage der Rechtmässigkeit stellen sich für den Arbeitgeber konkrete Fragen, auf die nachfolgend eingegangen wird.
Die Teilnahme an einem rechtmässigen Streik und die damit verbundene vorübergehende Arbeitsniederlegung stellt keine Verletzung der vertraglichen Arbeitspflicht dar. Als Arbeitgeber kann ich die Teilnahme nicht verbieten, weil die Verfassungsmässigkeit gegeben ist. Anders sieht es hingegen bei einem rechtswidrigen Streik aus. Hier stellt die Teilnahme eine Verletzung des Arbeitsvertrags dar. Der Arbeitgeber hat die Möglichkeit, die Teilnahme über das Weisungsrecht zu untersagen. Ein entsprechendes Verbot kann sich selbstverständlich nur auf die Teilnahme während eigentlicher Arbeitszeit erstrecken. Gemäss Art. 28 Abs. 4 BV kann bestimmten Kategorien von Personen der Streik gesetzlich verboten sein, z.B. Polizeiangehörigen.
Der Arbeitgeber darf verlangen, dass eine Teilnahme am Streik in die Freizeit fallen muss. So kann die Teilnahme in Abstimmung mit dem Arbeitgeber etwa durch den Bezug eines Ferientages oder Kompensation von Überstunden ermöglicht werden.
Gemäss Lehre und Rechtsprechung ist der Arbeitgeber während des Streiks nicht zur Lohnzahlung verpflichtet. Der Arbeitsvertrag gilt bei einem rechtmässigen Streik in seinen Hauptpflichten als suspendiert. Arbeits- und Lohnzahlungspflicht ruhen während des rechtmässigen Streiks und leben danach wieder auf.
Ein Schadenersatzanspruch kann nur bei einer Vertragsverletzung und somit durch Teilnahme an einem rechtswidrigen Streik entstehen. In diesem Fall haftet der Arbeitnehmende gegenüber dem Arbeitgeber für den Schaden, der letzterem durch die Teilnahme am Streik entstanden ist. Der Beweis der Schadenshöhe wird regelmässig schwierig zu führen sein. Zudem trifft den Arbeitgeber eine Schadenminderungspflicht, z.B. mittels organisatorischer Massnahmen.
Spricht der Arbeitgeber aufgrund der Teilnahme an einem rechtmässigen Streik eine ordentliche Kündigung aus, ist diese rechtsmissbräuchlich. Bei einem rechtswidrigen Streik sieht es anders aus. Die Kündigung ist in diesem Fall nicht rechtsmissbräuchlich. Im Entscheid 4A_64/2018 vom 25. März 2019 hatte das Bundesgericht sogar die fristlose Entlassung von Streikteilnehmenden geschützt. Das Bundesgericht wies allerdings darauf hin, dass ein unrechtmässiger Streik für sich allein noch nicht eine fristlose Kündigung rechtfertigte. im betreffenden Fall wurden die Arbeitnehmenden jedoch mehrfach unter Hinweis auf die Unrechtmässigkeit des Streiks vor der fristlosen Kündigung gewarnt.
Bei Berufsgruppen mit Betreuungs- und Fürsorgeaufgaben verlangt der Grundsatz der Verhältnismässigkeit selbst bei einem rechtmässigen Streik, dass die Versorgung der betreuungsbedürftigen Personen gewährleistet ist. Die Streikenden sind also gehalten, sich so zu organisieren, dass die Betreuung sichergestellt bleibt. Dies kann etwa durch die räumliche, personelle oder zeitliche Einschränkung der Arbeitskampfmassnahmen geschehen.
Die herrschende Lehre lehnt die Zulässigkeit des Sympathiestreiks ab.
Hinsichtlich der Zulässigkeit des Streiks gilt es zwar wie gezeigt, die kollektiv-arbeitsrechtlichen und die individualarbeitsrechtlichen Voraussetzungen und Folgen der Arbeitsniederlegung zu unterscheiden. Letztlich handelt es sich aus unternehmerischer Sicht aber um ein Best Practice- wie auch ein Future Practice-Thema.
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