Pikettdienst

1. Februar 2013

Pikettdienst

Pikettdienst kann je nach Ausgestaltung erheblich ins Privatleben eines Arbeitnehmers eingreifen. Er ist deshalb zeitlichen Beschränkungen unterworfen und es bestehen Mitwirkungs- und Informationspflichten (vgl. Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz, ArGV1, Artikel 14). Die vorliegende Ausgabe nimmt zu folgenden zwei Hauptfragen Stellung: Ist der Bereitschaftsdienst an die Arbeitszeit anzurechnen und wie ist er zu entschädigen? Nicht eingegangen wird auf die Sonderregelung für Krankenanstalten und Kliniken in ArGV2 8a.

Abgrenzung zur Arbeit auf Abruf

Der Bereitschaftsdienst kennt verschiedene Formen. Beim Pikettdienst hält sich der Arbeitnehmer neben der normalen Arbeit für allfällige Arbeitseinsätze bereit für die Behebung von Störungen, die Hilfeleistung in Notsituationen, für Kontrollgänge oder für ähnliche Sonderereignisse (ArGV1 14/1). Kein Pikettdienst liegt also vor, wenn keine Sonderereignisse bearbeitet werden, sondern normale Arbeit geleistet wird. Ebenfalls kein Pikettdienst liegt dann vor, wenn ausschliesslich in Bereitschaft gearbeitet wird.

Vom Pikettdienst zu unterscheiden ist die (echte) Arbeit auf Abruf. Diese Form des Bereitschaftsdienstes ist, im Gegensatz zum Pikettdienst, im Gesetz nicht geregelt. Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung wird die (echte) Arbeit auf Abruf definiert als Teilzeitarbeit, die im Rahmen eines unbefristeten Arbeitsvertrages geleistet wird und bei welcher Zeitpunkt und Dauer der einzelnen Arbeitseinsätze durch Parteivereinbarung oder einseitig, gegebenenfalls unter gewissen Bedingungen, vom Arbeitgeber festgelegt werden. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, sich zur Verfügung des Arbeitgebers zu halten und den einzelnen Abrufen Folge zu leisten. Die Arbeit auf Abruf dient dazu, normale Schwankungen des Arbeitsanfalls aufzufangen.

Anrechnung an die Arbeitszeit Verlangt der Arbeitgeber, dass der Pikettdienst im Betrieb geleistet wird, stellt die gesamte zur Verfügung gestellte Zeit Arbeitszeit dar, das heisst die effektiv geleisteten Einsätze und der Bereitschaftsdienst, mit Ausnahme der gesetzlichen Pausen (ArGV1 15/1). Das hat dann beispielsweise zur Folge, dass nach dem Pikettdienst nicht einfach weitergearbeitet werden darf, sondern die gesetzlichen Ruhezeiten eingehalten werden müssen. Kann der Arbeitnehmer den Pikettdienst ausserhalb des Betriebs leisten, dann sind grundsätzlich nur die effektiv geleisteten Einsätze sowie die Wegzeit zu und von der Arbeit als Arbeitszeit anzurechnen, nicht jedoch der Bereitschaftsdienst (ArGV1 15/2). Verlangt jedoch der Arbeitgeber, dass der Arbeitnehmer innert sehr kurzer Frist zum Einsatz kommen muss, z.B. innert 15 Minuten nach dem Abruf, so kann dieser den Betrieb kaum verlassen und somit auch nicht von seiner Freizeit profitieren. In diesen Fällen sind gemäss Bundesgericht (Entscheid 4A_523/2010) und auch gemäss Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) alle Umstände eines solchen Pikettdienstes zu berücksichtigen, um beurteilen und entscheiden zu können, ob die Regeln des Pikettdienstes im Betrieb oder ausserhalb des Betriebs anzuwenden sind.

Entschädigung des Bereitschaftsdienstes

Bereitschaftsdienst ist gemäss Bundesgericht (BGE 124 III 249) grundsätzlich zu entschädigen. Jedoch muss die so genannte Rufbereitschaft, bei welcher der Arbeitnehmer ausserhalb des Betriebs auf einen Einsatz wartet, – abweichende Vereinbarung vorbehalten – nicht gleich wie die Haupttätigkeit entlöhnt werden. Geht weder aus dem Einzel- noch aus einem Kollektivarbeitsvertrag hervor, wie hoch die Entschädigung sein soll, schuldet der Arbeitgeber, was üblich ist. Lässt sich dies nicht feststellen, ist nach Billigkeit zu entscheiden. Die Entschädigung für den Bereitschaftsdienst kann einzel- oder gesamtarbeitsvertraglich auch in den Lohn für die Hauptleistung eingeschlossen werden. Wenn eine separate Entschädigung für den Bereitschaftsdienst vertraglich vorgesehen wird, geschieht dies in der Praxis oft als Pauschale. Anstelle einer Entschädigung kann auch eine Kompensation durch Freizeit vereinbart werden.

Berücksichtigung aller Umstände

Dem genannten Bundesgerichtsentscheid 4A_523/2010 lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Der Arbeitsvertrag eines Sicherheitsbeauftragten sah die Leistung von Pikettdienst vor. Ebenfalls war vereinbart, dass die Entschädigung dafür im vertraglich vereinbarten Lohn inbegriffen war. Im Falle eines Abrufs musste der Sicherheitsbeauftragte innert 15 bis 30 Minuten vor Ort sein. Der Arbeitnehmer war der Meinung, nachdem ihm der Arbeitgeber gekündigt hatte, dass der Pikettdienst insofern eine sehr grosse Verfügbarkeit forderte, als er eine sehr kurze Interventionszeit rund um die Uhr vorsah und in einer von zwei Wochen oder in zwei von drei Wochen zu leisten war. Entsprechend war der Arbeitnehmer der Ansicht, dass der Bereitschaftsdienst Arbeitszeit darstelle und separat zu entschädigen sei. Das Bundesgericht war aber anderer Meinung und folgte der Argumentationsweise der kantonalen Instanz. Tatsächlich wurde dieser Sicherheitsbeauftragte im Zeitraum von rund zwei Jahren insgesamt lediglich sechsmal für Arbeitseinsätze abgerufen. Zudem konnten sich die drei Sicherheitsbeauftragten des Betriebs ohne Beschränkung gegenseitig ersetzen. Somit hat der Pikettdienst den Arbeitnehmer in seiner Lebensgestaltung nicht extrem stark beeinträchtigt und die entsprechende Entschädigung konnte ohne weiteres in den vereinbarten Grundlohn eingeschlossen werden. Wäre das Gericht der Meinung des Sicherheitsbeauftragten gefolgt, hätte sich sein Monatslohn mehr als verdoppelt, wenn der Bereitschaftsdienst zum vollen Lohn bezahlt worden wäre, was unrealistisch gewesen wäre.

Kommentar

Die Bundesgerichtspraxis ist zwar einerseits aus Arbeitgebersicht zu begrüssen, andererseits macht sie den Arbeitgebern eine Selbsteinschätzung im konkreten Einzelfall nicht einfach, da alle Umstände zu berücksichtigen sind.

Arbeitgeber, in deren Betrieb Pikettdienst geleistet wird, haben zudem noch Folgendes zu beachten: Da mindestens der Einsatz während des Pikettdienstes Arbeitszeit darstellt, ist für Pikettdienste in der Nacht, an Sonntagen oder an den Sonntagen gleichgestellten Feiertagen in der Regel eine Arbeitszeitbewilligung einzuholen. Bei der Planung von Pikettdienst sind die betroffenen Arbeitnehmer beizuziehen (ArGV1 69/1). Bei kurzfristigen Änderungen in der Pikettplanung und -einteilung ist auf Arbeitnehmer mit Familienpflichten (vgl. ArG 36) insofern Rücksicht zu nehmen, als diese nur mit deren Einverständnis vorgenommen werden dürfen und soweit eine andere Lösung für den Betrieb nicht zumutbar ist (ArGV1 14/4).

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