Überstundenentschädigung

1. April 2002

Überstundenentschädigung

Das Bundesgericht hat im Entscheid Nr. 4C.337/2001 vom 1. März 2002 entschieden, dass dem Arbeitnehmer nicht Rechtsmissbrauch vorgeworfen werden kann, wenn er 229 Stunden über die zulässige Höchstarbeitszeit hinaus geleistet und seine entsprechende Überstundenentschädigung nicht sofort nach der Kündigung geltend gemacht hat, sondern erst einige Tage vor Beendigung des Arbeitsvertrages.

Sachverhalt

A. wurde durch die Firma B. per 1. November 1993 als Tiefbautechniker angestellt. Es wurde kein schriftlicher Arbeitsvertrag abgeschlossen und die Abgeltung allfälliger Überstunden nicht geregelt. Am 27. März 1997 kündigte die Firma B. den Arbeitsvertrag auf Ende Mai 1997. Am 15. Mai 1997 verlangte A. von der Firma B. Fr. 68'822.65 für während der gesamten Beschäftigungsdauer geleistete Überstunden und Ferienentschädigung.

In erster Instanz wurde die Firma B. verpflichtet, dem Mitarbeiter A. Fr. 67'553.75 nebst Zins als Abgeltung von Überstunden, Ferienguthaben und Anteil 13. Monatslohn zu bezahlen. Das darauf hin angerufene Obergericht des Kantons Zug reduzierte diesen Betrag auf Fr. 40'129.55, nachdem vor Obergericht nur noch Fr. 62'491.25 nebst Zins für Überstundenentschädigung strittig waren. Das Obergericht hielt die von A. geforderten Überstunden für ausgewiesen, erachtete jedoch die Geltendmachung teilweise als rechtsmissbräuchlich.

Erwägungen des Bundesgerichts

A. hatte seine Arbeitszeit - und damit die geleisteten Überstunden - auf Zeiterfassungskarten festgehalten und der Firma B. regelmässig abgeliefert. Diese konnte somit die geleisteten Überstunden jederzeit zur Kenntnis nehmen und A. durfte davon ausgehen, die Firma B. genehmige die entsprechenden Überstunden als betriebsnotwendig. Gemäss BGE 124 III 469 ff. (vgl. Publikation "Arbeitsrecht" Nr. 5, Mai 1999) ist die Entschädigung von Überstunden insofern zwingend, als dass der Arbeitnehmer auf die Geltendmachung bereits geleisteter Überstunden nicht gültig verzichten kann. Deshalb hat es das Bundesgericht im BGE 126 III 337 insbesondere abgelehnt, das blosse Zuwarten mit der Geltendmachung der Forderung für Überzeitarbeit, welche die gesetzliche wöchentliche Höchstarbeitszeit im Sinne von ArG 12 überschreitet, als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren.

Gemäss Vorinstanz hatte A. gegenüber den im massgebenden Zeitpunkt geltenden Bestimmungen des Arbeitsgesetzes 229 Stunden à Fr. 39.30 (= Fr. 8'999.70) über die zulässige Höchstarbeitszeit hinaus geleistet. Aus dieser Überschreitung der Höchstarbeitszeit, die dem Gesundheitsschutz des Arbeitnehmers dient, hat die Vorinstanz abgeleitet, dass A. diese Stunden letztlich nicht im Interesse des Arbeitgebers geleistet habe. Dadurch sei ihm die für eine sorgfältige Arbeitsausführung erforderliche Ruhe- und Erholungszeit nicht mehr zur Verfügung gestanden. Das Bundesgericht folgte dieser Argumentation nicht, denn es sei im Gegenteil sogar allgemein bekannt, dass gewisse hoch qualifizierte Leute (z.B. Mediziner, Forscher) sehr lange arbeiten, ohne dass sich dieser Umstand generell auf die Qualität der Arbeit auswirken muss. Da keine unsorgfältige Arbeitsleistung und namentlich keine Verletzung von OR 321a/1 festgestellt wurde, beschränkte sich der Vorwurf von A. auf die Überschreitung der arbeitsgesetzlichen Höchstarbeitszeit.

Gemäss Bundesgericht kann allein darin aber von vornherein weder ein Verstoss gegen Treu und Glauben gegenüber der Firma B., noch ein rechtsmissbräuchliches Verhalten von A. gesehen werden, welches die Firma B. von der teilweisen zwingenden Pflicht zur Entschädigung der geleisteten Überstunden zu entbinden vermöchte. Die Reduktion der eingeklagten Forderung durch die Vorinstanz in der Höhe von Fr. 8'999.70 ist deshalb bundesrechtswidrig.

Im weiteren hat die Vorinstanz die Forderung von A. um Fr. 13'362.- wegen Rechtsmissbrauch reduziert, da er nicht sofort nach der Kündigung seine Überstundenentschädigung geltend gemacht und somit die Firma B. daran gehindert habe, ihn während der Kündigungsfrist freizustellen und so zur Kompensation wenigstens eines Teils der Überstunden anzuhalten. Nach OR 321c/2 bedarf es jedoch für die Kompensation von Überstunden der Zustimmung des Arbeitnehmers. Die Verweigerung der Zustimmung kann nur mit grosser Zurückhaltung als treuwidrig qualifiziert werden (BGE 123 III 84). Da keine Zustimmung vorlag, hätte die Firma B. die Kompensation der Überstunden auch bei Freistellung nicht anordnen können. Gemäss Bundesgericht war A. nach Treu und Glauben nicht verpflichtet, seine Forderung aus Überstunden noch während der Kündigungsfrist geltend zu machen. Erst recht kann ihm nicht offensichtlicher Rechtsmissbrauch vorgeworfen werden, wenn er seinen Anspruch erst einige Tage vor Beendigung des Arbeitsvertrages einforderte. Die Reduktion der Forderung von A. um Fr. 13'362.- ist aufgrund der tatsächlichen Feststellungen bundesrechtswidrig.

Das Bundesgericht verpflichtete somit die Firma B., dem A. Fr. 62'491.25 nebst Zins zu 5% seit dem 1. Juni 1997 zu bezahlen.

Kommentar

Es empfiehlt sich im Einzelarbeitsvertrag oder einem diesem integrierten Personalreglement schriftlich die Handhabung von Mehrstunden (Überstunden/Überzeit) zu vereinbaren. Insbesondere kann die Regelung sinnvoll sein, dass allfällige Mehrstunden in der Regel durch Freizeit von gleicher Dauer kompensiert und nur ausnahmsweise ausbezahlt werden. Denn mangels einer solchen Vereinbarung hat der Arbeitgeber nachweisbar geleistete Mehrstunden, in der Regel auch bei einer Freistellung, auszubezahlen. Zudem kann schriftlich vereinbart werden, dass eine allfällige Auszahlung ohne Zuschlag erfolgt. Gemäss ArG 13/1 kann dieser Zuschlag für das Büropersonal, technische und andere Angestellte, mit Einschluss des Verkaufspersonals in Grossbetrieben des Detailhandels, jedoch nur für Überstunden und 60 Überzeitstunden pro Kalenderjahr rechtsgültig wegbedungen werden. Dies gilt grundsätzlich auch für Kaderangestellte, nicht jedoch für höhere leitende Angestellte gemäss ArGV1 9. 


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