Vertragsänderung

Eine Änderung von Arbeitsverträgen (zu Ungunsten der Arbeitnehmer) kann grundsätzlich auf zwei Arten erfolgen, entweder mittels Änderungskündigung oder mittels Vertragsänderung unter Einhaltung der bestehenden Kündigungsfrist. Bei der Wahl des Mittels kann folgende Überlegung hilfreich sein: Geht der Arbeitgeber davon aus, dass der Arbeitnehmer die neuen für ihn schlechteren Arbeitsbedingungen wohl akzeptieren wird, soll aus arbeitspsychologischer Sicht die Vertragsänderung unter Einhaltung der bestehenden Kündigungsfrist gewählt werden, weil „Kündigung“ ein negativ behafteter Begriff ist, andernfalls die Änderungskündigung. Bei einer Änderung der Arbeitsbedingungen für die gesamte Belegschaft (z.B. eine Verschlechterung im Personalreglement) soll wegen der drohenden Problematik der Massenentlassung ebenfalls die Vertragsänderung gewählt werden.

Die vorliegende Publikation befasst sich mit der Vertragsänderung ohne Änderungskündigung und dabei insbesondere mit der Thematik der stillschweigenden Zustimmung des Arbeitnehmers.

Antrag und (stillschweigende) Zustimmung

Ein Arbeitsvertrag kommt durch den Austausch übereinstimmender Willenserklärungen der Vertragsparteien zustande. Im Verlaufe eines Arbeitsverhältnisses können sich die Gegebenheiten in einem Unternehmen und die Anforderungen der Arbeit ändern, was z.B. zu einer Pensumsreduktion oder einer Lohnkürzung führen kann. Eine Änderung des Vertrags setzt ebenfalls übereinstimmende Willenserklärungen der Vertragsparteien voraus.

Am Anfang einer Vertragsänderung steht in jedem Fall der Antrag einer Vertragspartei. Dieser kann ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen. Erfolgt er lediglich stillschweigend durch konkludentes Verhalten, muss er für den Empfänger unmissverständlich erkennbar sein. Ist dies nicht der Fall, wie z.B. die Auszahlung des bisherigen, tieferen Lohns nach einer ausgesprochenen Lohnerhöhung, kann daraus keine Vertragsänderung resultieren.

Von Bedeutung und problematisch in der Praxis ist aber weniger der Antrag durch konkludentes Verhalten, sondern vielmehr die stillschweigende Annahme eines Antrags. Nach OR 6 gilt das Stillschweigen nur dann als Annahme des Antrags, wenn wegen der besonderen Natur des Geschäfts oder nach den Umständen eine ausdrückliche Annahme nicht zu erwarten ist und ein Antrag nicht binnen angemessener Frist abgelehnt wird. Die besondere Natur des Geschäfts wird im Arbeitsrecht angenommen, wenn der Antrag für den Empfänger nur vorteilhaft ist. Schweigt also der Arbeitnehmer bei Erhalt einer Lohnquittung auf die einseitige Lohnreduktion des Arbeitgebers, so kann das nicht die Bedeutung einer Zustimmung haben. Ebenso ist kein Verzicht anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer auf die Ankündigung des Arbeitgebers schweigt, dass der 13. Monatslohn nicht ausbezahlt werde. Zu den besonderen Umständen, die den Arbeitnehmer zum Widerspruch gegenüber einer Verzichtsaufforderung des Arbeitgebers verpflichtet, gehört, dass der Arbeitgeber klar zum Ausdruck gebracht hat, dass die Zustimmung zu seiner Offerte die notwendige Bedingung für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ist. Auch dazu gehört der Umstand, dass in einer Branche oder in einem einzelnen Arbeitsverhältnis häufig von der gesetzlichen oder vertraglichen Ordnung abgewichen wird und der vom Arbeitgeber zugemutete Verzicht nicht unverhältnismässig erscheint. Auch wenn es aufgrund der Grösse des Betriebs sinnvoll ist, sich mit allgemeinen Bekanntmachungen an die Mitarbeiter zu wenden, wird man den einzelnen Arbeitnehmer für verpflichtet ansehen, einheitlichen Anordnungen, bei denen der Arbeitgeber mit Zustimmung rechnen kann, gegebenenfalls zu widersprechen (Manfred Rehbinder / Jean-Fritz Stöckli, Berner Kommentar, 2014, N. 5 zu Art. 341 OR).

Neuste Gerichtspraxis zu Lohnkürzungen

In der Gerichtspraxis kommen vor allem Fälle von stillschweigenden Lohnkürzungen vor, insbesondere im Zusammenhang mit Bonusregelungen. Dem Urteil 4A_216/2017 des Bundesgerichts lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Der vertraglich vereinbarte Bonus wurde als Lohnbestandteil beurteilt. Mittels E-Mail teilte der Verwaltungsratspräsident dem Geschäftsführer mit, dass er aufgrund des durch seine Fehlleistungen entstandenen Schadens von ihm einen freiwilligen Bonusverzicht erwarte. Da der Geschäftsführer darauf nicht reagiert hat, erachtete dies der Arbeitgeber als konkludente Zustimmung, und er hat in der Folge den Bonus nicht ausbezahlt. Nach Ansicht des Bundesgerichts darf nicht allein gestützt auf den Umstand, dass sich die Kommunikation auf der „allerobersten Unternehmungsleitungsebene abspielte“, aus dem Schweigen des Geschäftsführers auf die Offerte des Verwaltungsratspräsidenten für einen Verzicht auf den Bonus auf dessen stillschweigende Zustimmung geschlossen werden. Denn auch auf der obersten Führungsebene eines Unternehmens besteht grundsätzlich keine Pflicht des Arbeitnehmers, ein Angebot auf einen Bonusverzicht ausdrücklich abzulehnen. Weitere Umstände, gestützt auf die geschlossen werden müsste, dass der Geschäftsführer im vorliegenden Einzelfall nach Treu und Glauben gehalten gewesen wäre, die Ablehnung ausdrücklich zu erklären, wurden vom Arbeitgeber nicht dargetan und waren nicht ersichtlich. Damit vermochte der Arbeitgeber nicht aufzuzeigen, dass der Geschäftsführer durch sein blosses Schweigen auf die E-Mail des Verwaltungsratspräsidenten die Offerte auf einen Bonusverzicht angenommen und somit auf den Bonus verzichtet hätte. Der Arbeitgeber war somit verpflichtet, den Bonus zu bezahlen.

In einem anderen Fall (Urteil 4A_131/2015) ging es um die Einführung eines neuen Bonusplans zu Ungunsten des Arbeitnehmers. Auch hier sprach die Natur des Geschäfts gegen eine stillschweigende Zustimmung. Hingegen konnte der Arbeitgeber Umstände nachweisen, wonach eine ausdrückliche Annahme nicht zu erwarten war. Der Arbeitnehmer ist informiert, auf entsprechende Dokumente verwiesen und zu Informationsveranstaltungen eingeladen worden. Er konnte aus der Bonusmitteilung am Ende des folgenden Jahres unschwer erkennen, dass die Entschädigungskomponenten verändert worden waren. Es wurde deshalb von ihm nach Treu und Glauben erwartet, dass er im Anschluss an die Bonusauszahlung die Ablehnung des neuen Bonusplans erklärt hätte, wenn er diesen nicht für sich gelten lassen wollte. Da der Arbeitnehmer dagegen nichts eingewendet hatte, wurde daraus seine stillschweigende Zustimmung abgeleitet.

Kommentar

Soll eine stillschweigende Zustimmung genügen, empfiehlt sich, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer klar darauf hinweist, dass er ohne ausdrückliche Ablehnung innert einer gesetzten Frist von dessen stillschweigendem Einverständnis ausgeht und andernfalls bestimmte Massnahmen ergreifen oder eine Kündigung aussprechen würde.

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