Vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Aufhebungsvertrag: Regeln, die es zu beachten gilt

20. Juni 2023

Vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Aufhebungsvertrag: Regeln, die es zu beachten gilt

Die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses erfolgt typischerweise durch einseitige Kündigung einer Vertragspartei. In diesem Fall haben sich die Parteien an die gesetzliche oder vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist zu halten. In der Praxis stellen wir fest, dass sich heute in vielen Fällen die Vertragsparteien auf einen Aufhebungsvertrag einigen, um das Arbeitsverhältnis aufzulösen. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mittels Aufhebungsvertrags hat u.a. den Vorteil, dass die Vertragsparteien den Beendigungszeitpunkt frei festlegen können. Nachfolgend gehen wir auf verschiedene Fallbeispiele ein, bei denen im Zuge der Beendigung von der gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfrist abgewichen werden soll. Bevor wir dies tun, lohnt es sich die zwingenden Regeln in Erinnerung zu rufen, die es im Zusammenhang mit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses zu beachten gilt. Eine zentrale Rolle spielt Art. 341 Abs. 1 OR. Demnach können Mitarbeitende während der Dauer des Arbeitsvertrags und eines Monats nach dessen Beendigung nicht auf Forderungen verzichten, die sich aus zwingenden Bestimmungen des Gesetzes oder eines Gesamtarbeitsvertrags (GAV) ergeben. Solche Forderungen sind insb.

  • Lohn für bereits geleistete Arbeit,
  • Bonus (wenn er Lohnbestandteil darstellt),
  • Anteil am Geschäftsergebnis (Art. 322a OR),
  • Provision (Art. 322b OR)
  • Entschädigung für Überstunden und Überzeit
  • Ferienlohn (Art. 329a OR) und
  • Zulagen für die Arbeit an Sonn- und Feiertagen (Art. 19 ArG).

1. Fallbeispiel: Der Mitarbeitende möchte das Arbeitsverhältnis vorzeitig beenden

Ein Mitarbeitender muss bei der Kündigung die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist einhalten. Wurde vertraglich keine Kündigungsfrist vereinbart, sind die gesetzlichen Kündigungsfristen zu berücksichtigen (vgl. Art. 335b und 335c OR). In der Praxis kann es vorkommen, dass ein Mitarbeitender gewollt oder ungewollt die Kündigung auf einen zu frühen Zeitpunkt ausspricht. In diesem Fall wird die Kündigung auf das gemäss Arbeitsvertrag oder Gesetz gültige Datum uminterpretiert (4A_372/2016).

Stellt der Arbeitgeber fest, dass die Kündigung auf einen zu frühen Zeitpunkt ausgesprochen wurde, muss er den Mitarbeitenden darauf aufmerksam machen. Hält dieser an seiner Kündigung auf zu kurzen Termin fest, hat der Arbeitgeber zwei Möglichkeiten:

  • Er kann die Beendigung auf den zu frühen Zeitpunkt ablehnen und vom Mitarbeitenden verlangen, dass er seine Arbeitsleistung bis zum ordentlichen Ende des Arbeitsverhältnisses erbringt. Erscheint der Mitarbeitende nach dem verführten Kündigungstermin nicht mehr zur Arbeit, wird davon ausgegangen, dass er die Arbeitsstelle definitiv aufgegeben hat (vgl. Art. 337d OR). In diesem Fall hat der Arbeitgeber grundsätzlich Anspruch auf eine Entschädigung in der Höhe eines Viertels des Monatslohnes und auf Ersatz weiteren Schadens (z.B. wenn der sofortige Austritt zu Umsatzeinbussen wegen Produktionsausfällen führt).
  • Der Arbeitgeber kann sich mit Beendigung auf den zu frühen Zeitpunkt einverstanden erklären. Wir empfehlen in diesem Fall, die Zustimmung schriftlich zu formalisieren. Es ist festzuhalten, dass die Beendigung auf den verfrühten Termin vom Mitarbeitenden explizit gewünscht worden ist und er auf die Folgen einer vorzeitigen Beendigung aus Sicht der Arbeitslosenversicherung hingewiesen wurde (Einstelltage).

2. Fallbeispiel: Der Arbeitgeber möchte das Arbeitsverhältnis vorzeitig beenden

Wie der Mitarbeitende ist auch der Arbeitgeber an die Fristen gebunden, die vertraglich oder gesetzlich festgelegt sind. Erfolgt die Kündigung auf einen zu frühen Termin, wird die Auflösung auf den nächsten vertraglichen oder gesetzlichen Termin verschoben. Der Mitarbeitende hat Anspruch auf den Lohn für die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist, wenn er seine Arbeitsleistung angeboten hat. Dasselbe muss auch gelten, wenn der Mitarbeitende die zu kurzfristige Kündigung weder erkannte noch erkennen musste.

Wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis dennoch vorzeitig beenden möchte, kann er dem Mitarbeitenden die Beendigung mittels Aufhebungsvertrags vorschlagen. Beim Abschluss eines Aufhebungsvertrags gilt es gewisse Bedingungen einzuhalten (s. Abschnitt unten).

Wenn der Mitarbeitende den Aufhebungsvertrag ablehnt, muss der Arbeitgeber die geltende Kündigungsfrist berücksichtigen. Will er den Mitarbeitenden nicht weiter beschäftigen, kann er ihn für die Dauer der Kündigungsfrist freistellen. In diesem Fall ist der Lohn bis zum ordentlichen Ende des Arbeitsverhältnisses geschuldet. Dabei gilt es zu beachten, dass der Sperrfristenschutz (Art. 336c OR) auch im Falle einer Freistellung anwendbar ist (Art. 336c OR).

Die Parteien einigen sich darauf, das Arbeitsverhältnis mittels Aufhebungsvertrag zu beenden

Das rechtliche Institut des Aufhebungsvertrags ist zulässig, auch wenn die arbeitsrechtlichen Bestimmungen im OR diese Form der Auflösung nicht vorsehen. Der Aufhebungsvertrag führt dazu, dass wesentliche arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen, die eine Arbeitgeberkündigung voraussetzen, nicht mehr zum Tragen kommen. So ist z.B. der in Art. 336c OR normierte Sperrfristenschutz in diesem Fall nicht anwendbar. Weiter verliert der Mitarbeitende auch den Schutz vor einer missbräuchlichen Kündigung (Art. 336 OR; BGE 4A_362/2015; 4A_563/2011 E. 4.1; 4C.27/2002 vom 19. April 2002 E. 2).

Gesetzlich sind keine Formvorschriften für den Abschluss eines Aufhebungsvertrags vorgesehen. Aufgrund des Verzichts auf die verschiedenen Schutzrechte wird der Abschluss eines Aufhebungsvertrags nicht leichtfertig angenommen. Lehre und Rechtsprechung verlangen, dass die Willensäusserung zur einvernehmlichen Vertragsauflösung unmissverständlich klar sein muss. Bei der Annahme einer konkludenten Vertragsaufhebung dürfen keine Zweifel bezüglich des Willens der Parteien bestehen. Es wird allgemein anerkannt, dass der Verzicht des Mitarbeitenden auf seine Schutzrechte (insb. Sperrfristenschutz oder Lohnfortzahlung bei Krankheit) durch eine Gegenleistung des Arbeitgebers entschädigt werden muss. M.a.W. setzt die Annahme eines Aufhebungsvertrags voraus, dass dieser durch ein vernünftiges Interesse des Mitarbeitenden gerechtfertigt ist. Allein der Umstand, dass der Mitarbeitende etwa aufgrund von Spannungen am Arbeitsplatz auf die Kündigung gehofft hat, reicht nicht aus, um auf einen Aufhebungsvertrag und damit einen konkludenten Verzicht auf die erwähnten Schutzrechte zu schliessen (vgl. 4A_362/2015 vom 1. Dezember 2015).

Wenn der Aufhebungsvertrag einen Verzicht des Mitarbeitenden auf Forderungen, die sich aus unabdingbaren Vorschriften des Gesetzes ergeben, beinhaltet, sind gegenseitige Zugeständnisse von vergleichbarer Bedeutung erforderlich (Art. 341 OR; BGE 4A_13/2018; 136 III 467). Erfüllt der Aufhebungsvertrag die genannten Voraussetzungen nicht, so ist er ungültig und die gesetzlichen Schutzbestimmungen bleiben grundsätzlich anwendbar.

Vorzeitige Beendigung und Arbeitslosenentschädigung

Wenn ein Mitarbeitender ohne vorherige Zusicherung einer anderen Stelle kündigt, wird er i.d.R. als eigenverschuldet arbeitslos betrachtet. Es sei denn, es war ihm nicht zuzumuten, seine bisherige Stelle beizubehalten. Falls bei einer entsprechenden Kündigung die ordentliche Kündigungsfrist nicht eingehalten wird, wirkt sich dies als erschwerender Faktor für das Verschulden aus.

Ein Mitarbeitender, der eine vorzeitige Beendigung wünscht resp. mittels Aufhebungsvertrag akzeptiert, muss damit rechnen, dass sein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung für eine bestimmte Dauer eingestellt wird. Mit Blick auf das Verschulden stellt die Arbeitslosenkasse die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsvertrags einer Kündigung durch den Versicherten gleich.

Eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird folglich häufig dazu führen, dass der Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung vorübergehend ausgesetzt wird. Dieser Nachteil muss bei der Beurteilung der gegenseitigen Zugeständnisse sowie des Interesses des Mitarbeitenden an der vorzeitigen Beendigung berücksichtigt werden.

Der Arbeitsvertrag wird ordentlich gekündigt und die Parteien regeln die Modalitäten der Beendigung in einer Vereinbarung

Wird der Arbeitsvertrag von einer der Parteien ordentlich gekündigt, steht es den Parteien offen, die Modalitäten der Beendigung mittels einer Vereinbarung zu regeln. Eine entsprechende Vereinbarung bezieht sich nur auf die Modalitäten der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und nicht auf die Beendigung des Vertragsverhältnisses als solches. Die Bestimmungen zum Kündigungsschutz (Art. 336 ff. OR) bleiben somit anwendbar. Der Mitarbeitende kann sich trotz Abschluss der Vereinbarung auf eine allfällige Unterbrechung der Kündigungsfrist berufen (Art. 336c Abs. 2 OR) oder eine Kündigung wegen Missbräuchlichkeit anfechten (Art. 336 ff. OR).

Wenn die Vereinbarung über die Modalitäten zur Beendigung einen Verzicht des Mitarbeitenden auf Forderungen, die sich aus unabdingbaren Vorschriften des Gesetzes ergeben, beinhaltet, sind auch in diesem Fall gleichwertige, gegenseitige Zugeständnisse erforderlich.

Rechtliche Tragweite von Saldoklauseln

Im Gegensatz zu einem Aufhebungsvertrag oder einer Vereinbarung über die Modalitäten der Beendigung des Arbeitsverhältnisses stellt eine Saldoklausel für sich allein keine Vereinbarung mit gegenseitigen Zugeständnissen dar. Gemäss Art. 341 OR kann der Mitarbeitende während des Arbeitsverhältnisses und eines Monats nach dessen Beendigung nicht auf Forderungen verzichten, die sich aus zwingenden Vorschriften des Gesetzes oder eines GAV ergeben. Ohne gleichwertige, gegenseitige Zugeständnisse ist ein entsprechender Verzicht über eine Saldoklausel ungültig.

Nehmen wir an, ein Mitarbeitender hat eine Saldoklausel über einen Betrag von CHF 5'000.- unterzeichnet. Gestützt auf zwingendes Recht hätte der Mitarbeitende jedoch Anspruch auf einen Betrag von CHF 7'500.- (Überstunden, nicht bezogene Ferien, 13. Monatslohn usw.). In diesem Fall kann der Mitarbeitende trotz Saldoklausel den Differenzbetrag vom Arbeitgeber einfordern. Um Rechtsunsicherheiten zu vermeiden, sollte der samt Saldoklausel anerkannte Betrag allen Ansprüchen aus zwingendem Rechten Rechnung tragen. 

Der Schutz nach Art. 341 OR endet einen Monat nach Ablauf des Arbeitsverhältnisses. Danach können Mitarbeitende rechtsgültig auf Forderungen verzichten, die sich aus zwingenden Vorschriften des Gesetzes oder eines GAV ergeben. 

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