Fristlose Kündigung wegen Verletzung der Informationspflicht bei krankheitsbedingter Abwesenheit

Mar, 29 avril 2025

Fristlose Kündigung wegen Verletzung der Informationspflicht bei krankheitsbedingter Abwesenheit

Grundsätze der fristlosen Kündigung

Eine fristlose Kündigung gemäss Art. 337 OR durch den Arbeitgeber ist nur bei besonders schweren Verfehlungen des Arbeitnehmers gerechtfertigt. Diese müssen einerseits objektiv geeignet sein, die für das Arbeitsverhältnis wesentliche Vertrauensgrundlage zu zerstören oder zumindest so tiefgreifend zu erschüttern, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Vertrags nicht mehr zuzumuten ist. Andererseits verlangt das Bundesgericht, dass die Verfehlungen auch tatsächlich zu einer derartigen Zerstörung oder Erschütterung des Vertrauensverhältnisses geführt haben. Weniger schwerwiegende Pflichtverletzungen erlauben nur dann eine fristlose Kündigung, wenn sie trotz Verwarnung wiederholt vorgekommen sind.

Ob die dem Arbeitnehmer vorgeworfene Pflichtverletzung die erforderliche Schwere erreicht, lässt sich nicht allgemein sagen, sondern hängt immer von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab.

Informationspflicht des Arbeitnehmers, insb. bei krankheitsbedingten Absenzen

Der Arbeitnehmer hat gemäss Art. 321a OR eine Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber. Diese Pflicht umfasst unter anderem die Informationspflicht. Der Arbeitnehmer ist somit verpflichtet, den Arbeitgeber über alle relevanten Umstände zu informieren, die das Arbeitsverhältnis betreffen oder den Arbeitgeber beeinträchtigen könnten. Dies gilt insbesondere, wenn der Arbeitnehmer weiss, dass er in eine Situation gerät, die seine Arbeitsleistung oder die Interessen des Arbeitgebers gefährden könnte. Das ist bspw. dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer wegen Krankheit an der Arbeit verhindert ist. Der Arbeitnehmer hat in dieser Situation den Arbeitgeber umgehend, sowie bei länger dauernden Absenzen fortlaufend und vollständig über den Bestand, den Grad und die voraussichtliche Dauer einer Arbeitsunfähigkeit zu informieren. Zudem muss der Arbeitnehmer gestützt auf die allgemeinen Beweisregeln (Art. 8 ZGB) beweisen, dass er unverschuldet an der Arbeitsleistung verhindert ist. Dies wird üblicherweise mittels Einreichens eines Arztzeugnisses gemacht.

BGE 4A_486/2024 vom 15. Januar 2025

Sachverhalt

Dem Urteil BGer 4A_486/2024 lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine Arbeitnehmerin war als Head-Brauerin für die Bierherstellung im 2. Dienstjahr angestellt. Am Mittwoch, 27. Oktober 2021, löste die Arbeitgeberin den Arbeitsvertrag unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist auf. Grund für die Kündigung war, dass die Situation im Team unhaltbar geworden war und die Arbeitnehmerin nicht die verlangten Änderungen vorgenommen hatte.

Unmittelbar nach der ordentlichen Kündigung stellte der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin für die zwei nächsten Wochentage (vom Donnerstag, 28. Oktober 2021, bis und mit Freitag, 29. Oktober 2021) von der Arbeit frei. Am Montag, 1. November 2021, kam die Arbeitnehmerin zur Arbeit und räumte dort ihren Spind. Wegen Unwohlseins verliess sie ihren Arbeitsplatz an diesem Tag vorzeitig. Am nächsten Tag meldete sie sich beim Arbeitgeber krankheitshalber von der Arbeit ab. Erst am Freitag, 5. November 2021, teilte sie mit, dass sie frühestens am kommenden Montag einen Arzt aufsuchen könne.

Am besagten Montag forderte der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin via E-Mail auf, am Folgetag am Arbeitsplatz zu erscheinen und ein Arztzeugnis für ihre Absenz vorzulegen. Gleichentags meldete die Arbeitnehmerin, dass sie am nächsten Tag nicht erscheinen könne und ein Arztzeugnis folgen werde. Daraufhin forderte der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin auf, die Ursache für ihr Fernbleiben von der Arbeit bis am nächsten Morgen um 08:00 Uhr zu erklären. Zudem wies er die Arbeitnehmerin in der gleichen E-Mail darauf hin, dass sie zu einer ordentlichen Beendigung des Arbeitsvertrags beitragen und ihren Vertragspflichten nachkommen müsse. Weiter wies der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin darauf hin, sie habe entweder eine korrekte Arbeitsleistung zu erbringen oder eine ärztliche Begründung zu liefern, weshalb sie der Arbeit fernbleibe. Er erteilte ihr sodann eine neue Frist bis am nächsten Tag, um ein Arztzeugnis einzureichen und mitzuteilen, ob und wann wieder mit ihrer Arbeitsleistung gerechnet werden könne. Diese Aufforderung wurde als letzte Nachfrist und Warnung vor weiteren Massnahmen, wie dem Einstellen der Lohnzahlung für die unentschuldigten Absenztage sowie die fristlose Kündigung, definiert.

Innert der angeordneten Frist lieferte die Arbeitnehmerin am Mittwoch, 10. November 2021, ein vom 8. November 2021 datiertes Arztzeugnis. Dieses attestierte ihr eine Arbeitsunfähigkeit vom Montag bis Donnerstag (8. - 11. November 2021). Es ist festzustellen, dass die Arbeitnehmerin somit bereits seit drei Tagen im Besitz eines Arztzeugnisses war, dieses jedoch ohne ersichtliche Gründe erst zu einem verzögerten Zeitpunkt dem Arbeitgeber mitteilte. Daraufhin erkundigte sich der Arbeitgeber, ob sie sodann ab dem kommenden Freitag, 12. November 2021, wieder einsatzfähig sei. Die Arbeitnehmerin teilte daraufhin mit, sie habe am besagten Freitag einen Arzttermin und werde danach mehr Informationen haben.

In der Folge meldete sich die Arbeitnehmerin vom Freitag, 12. November, bis Montag, 15. November 2021, nicht beim Arbeitgeber. Am besagten Montag kurz vor Mitternacht kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit der Arbeitnehmerin fristlos.

Die Arbeitnehmerin klagte vor Gericht und machte eine ungerechtfertigte fristlose Kündigung geltend. Die Forderungen der Arbeitnehmerin mussten letzten Endes vom Bundesgericht beurteilt werden, dessen Ausführungen nachfolgend wiedergeben werden.

Entscheid des Bundesgerichts

Das Bundesgericht hat in seinem Entscheid auf die oben ausgeführte Informationspflicht der Arbeitnehmerin gegenüber dem Arbeitgeber hingewiesen und betont, dass diese Pflicht insb. auch für krankheits- und unfallbedingte Ausfälle gilt. Gestützt darauf sind Arbeitnehmende verpflichtet, den Arbeitgeber, sobald es der Gesundheitszustand erlaubt, unverzüglich zu kontaktieren und über die voraussichtliche Dauer und den Umfang der Arbeitsunfähigkeit zu informieren. Dabei muss die Prognose gegebenenfalls an neue medizinische Erkenntnisse angepasst werden. Arbeitnehmende sind folglich während der ganzen Dauer ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigung verpflichtet, den Arbeitgeber rasch, kontinuierlich und vollständig über die bestehende Arbeitsunfähigkeit zu unterrichten. Dies gilt besonders für Arbeitnehmende, die eine zentrale Funktion im Unternehmen innehaben. Nur bei einer rechtzeitigen Mitteilung kann der Arbeitgeber die geeigneten organisatorischen Massnahmen ergreifen, um den abwesenheitsbedingten Schaden für den eigenen Betrieb, Zulieferer, Kunden usw. möglichst geringzuhalten.

Im vorliegenden Fall war von Bedeutung, dass die betroffene Arbeitnehmerin bloss eine von zwei festangestellten Bierbrauern war. Angesichts dieses kleinen Personalbestandes verfügte der Arbeitgeber über wenig Spielraum, um die Aufgaben der erkrankten Arbeitnehmerin umzuverteilen. Zudem hatte der Arbeitgeber in der betreffenden Zeitperiode aufgrund des nahenden Weihnachtsgeschäfts eine erhöhte Arbeitslast zu bewältigen. Somit hatte er ein legitimes Interesse, möglichst rasch von der Arbeitnehmerin zu erfahren, wann wieder mit ihrem Einsatz gerechnet werden könne.

Gestützt auf den obigen Sachverhalt verletzte die Arbeitnehmerin ihre Mitteilungspflicht gleich zweimal: Zunächst leitete sie das am 8. November 2021 ausgestellte Arztzeugnis nicht umgehend dem Arbeitgeber weiter, sondern teilte am gleichen Tag lediglich mit, dass sie am nächsten Tag nicht zur Arbeit erscheinen könne und stellte ohne weitere Informationen zum bestehenden Gesundheitszustand ein Arztzeugnis in Aussicht. Damit liess die Arbeitnehmerin den Arbeitgeber ohne ersichtlichen Grund im Ungewissen über ihren Gesundheitszustand und erschwerte damit in ungerechtfertigter Weise die Arbeitsplanung. Anschliessend verletzte die Arbeitnehmerin ihre vertragliche Pflicht ein zweites Mal, als sie sie einen Arzttermin am Freitag, 12. November 2021, ankündete und sich anschliessend vier Tage lang (bis und mit Montag, 15. November 2021) nicht mehr beim Arbeitgeber meldete.

Die Arbeitnehmerin vermochte nicht aufzuzeigen, dass sie krankheitsbedingt oder aus anderen Gründen ausser Stande gewesen wäre, ihren Arbeitgeber nach dem Arzttermin vom Freitag, 12. November 2021, zu kontaktieren.

Gestützt auf das Ausgeführte hielt das Bundesgericht fest, dass die Arbeitnehmerin ihre Pflicht zur raschen, kontinuierlichen und vollständigen Information trotz entsprechender Verwarnung wiederholt verletzt und durch ihr Verhalten einen wichtigen Grund geboten hat, der eine fristlose Kündigung nach Art. 337 OR rechtfertigt.

Kommentar und Empfehlung für Arbeitgeber

Das Bundesgericht hat mit dem vorliegenden Entscheid die Wichtigkeit der Informationspflicht der Arbeitnehmenden aufgezeigt. Arbeitnehmende haben gestützt auf ihre Treuepflicht die legitimen Interessen des Arbeitgebers zu wahren und müssen sodann alles ihnen Zumutbare unternehmen, um diese Pflicht zu erfüllen. Sie sind folglich während der ganzen Dauer einer gesundheitlichen Beeinträchtigung verpflichtet, ihren Arbeitgeber rasch, kontinuierlich und vollständig über ihre Arbeitsunfähigkeit zu unterrichten. Dies gilt besonders für Personen, die eine zentrale Funktion im Unternehmen ausüben. Das verzögerte Nachreichen von Arztzeugnissen und die unzureichende Kommunikation über die Dauer der Arbeitsunfähigkeit kann einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darstellen.

Im Bundesgerichtsentscheid wurde dies nicht erwähnt; jedoch ist in Erinnerung zu rufen, dass die Rechtsprechung im bereits gekündigten Arbeitsverhältnis erhöhte Anforderungen an den wichtigen Grund für die fristlose Kündigung stellt. Dies liegt darin begründet, dass durch die bereits erfolgte Kündigung das Ende des Arbeitsverhältnisses bereits absehbar ist. Im Einzelfall muss dies beim Entscheid, ob im bereits gekündigten Arbeitsverhältnis noch fristlos gekündigt werden soll, mitberücksichtigt werden. Im vorliegenden Fall ist dies wohl nicht explizit vom Bundesgericht erwähnt worden, da die Arbeitnehmerin eine betrieblich wichtige Funktion innehatte und während der Kündigungsfrist vom Arbeitgeber nur wenige Tage zuvor verwarnt worden war, wobei ihr die fristlose Kündigung im Wiederholungsfall explizit angedroht worden war.

Arbeitgebern wird empfohlen, vertraglich festzuhalten, dass Arztzeugnisse unverzüglich einzureichen sind und dass bei verspäteter Einreichung personalrechtliche Disziplinarmassnahmen bis hin zur fristlosen Kündigung getroffen werden können. Sofern Arbeitnehmende trotz einer solchen Vorgabe ein ärztliches Zeugnis nicht rechtzeitig einreichen, sollte eine schriftliche Abmahnung vorgenommen werden. Dabei ist die Verletzung der Informationspflicht darzulegen und darauf hinzuweisen, dass im Wiederholungsfall weitere Massnahmen bis hin zur fristlosen Kündigung ausgesprochen werden können. Bei einem erneuten zeitnahen Verstoss gegen die Informationspflicht dürfte eine fristlose Kündigung grundsätzlich gerechtfertigt sein.

Abschliessend weisen wir darauf hin, dass die Frage, ob eine fristlose Kündigung gerechtfertigt ist, stets im Kontext des Einzelfalls geprüft werden muss, wobei alle massgebenden Umstände zu berücksichtigen sind. Es ist also immer eine Gesamtbeurteilung im Einzelfall vorzunehmen. 

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