Verstirbt ein Mitarbeitender, sieht sich der Arbeitgeber in der Praxis häufig mit rechtlichen Fragen konfrontiert. Insbesondere in Bezug auf den Anspruch auf Lohnnachgenuss gemäss Art. 338 Abs. 2 OR bekommt er es mit verschiedenen Personen zu tun, welche aus dem Tod des Mitarbeitenden Rechte geltend machen können. Nachstehend erhalten Sie einen Überblick über wesentliche Aspekte, die es in diesem Zusammenhang zu beachten gilt.
Mit dem Tod des Arbeitnehmers erlischt das Arbeitsverhältnis (Art. 338 Abs. 1 OR). Der Arbeitgeber hat jedoch den Lohn für einen weiteren Monat und nach fünfjähriger Dienstdauer für zwei weitere Monate, gerechnet vom Todestag an, zu entrichten, sofern der Arbeitnehmer den Ehegatten, die eingetragene Partnerin, den eingetragenen Partner oder minderjährige Kinder oder bei Fehlen dieser Erben andere Personen hinterlässt, denen gegenüber er eine Unterstützungspflicht erfüllt hat (Art. 338 Abs. 2 OR).
Ein Anspruch auf Lohnnachgenuss entsteht unter den folgenden Voraussetzungen:
Kein Anspruch besteht, wenn im Todeszeitpunkt der Arbeitsvertrag zwar bereits abgeschlossen, die Stelle jedoch noch nicht angetreten wurde.
Keine Rolle spielt demgegenüber, ob der Mitarbeitende im Todeszeitpunkt noch in der Probezeit war, ob der Arbeitsvertrag befristet war, ob eine Kündigung ausgesprochen worden war und das Arbeitsverhältnis schon vor Ablauf der Lohnachgenussdauer geendet hätte, sowie ob der verstorbene Mitarbeitende bereits vor seinem Tod keinen Lohn mehr erhielt, da der Lohnfortzahlungsanspruch bereits ausgeschöpft war: Für den Anspruch auf Lohnnachgenuss ist einzig und allein massgebend, dass der Arbeitsvertrag im Todeszeitpunkt noch Bestand hatte.
Entgegen dem etwas verwirrenden Gesetzeswortlaut ist der Lohn, bei Vorliegen der gesetzlich definierten Voraussetzungen, für maximal zwei Monate zu entrichten, gerechnet ab Todestag. Die Zeit zwischen Todestag und Monatsende ist nicht zusätzlich zu berücksichtigen.
Das Gesetz unterteilt die Anspruchsberechtigten in zwei Kategorien. Primär kommt der Lohnnachgenuss dem Ehegatten, der/dem eingetragenen Partner/in oder den minderjährigen Kindern des verstorbenen Mitarbeitenden zu (erste Kategorie).
Die Berechtigung der Personen in der ersten Kategorie ist nicht abhängig davon, ob der Verstorbene ihnen zu finanziellen Leistungen verpflichtet war und ob er gegenüber diesen finanzielle Leistungen erbracht hat oder nicht.
Durch die Scheidung verlieren die Ehegatten aber ihre Stellung und können dann höchstens subsidiär, in der zweiten Kategorie, zum Lohnnachgenuss berechtigt sein.
Antwort: Da vorliegend der verstorbene Mitarbeitende eine minderjährige Tochter (erste Kategorie) hinterlässt, steht der Lohnnachgenuss vollumfänglich ihr zu. Die geschiedene Ehefrau hat keinen Anspruch. Die erste Kategorie geht der zweiten vor und schliesst deren Anspruch aus.
Der Anteil des Lohnnachgenusses dient ausschliesslich dazu, den Lebensunterhalt des minderjährigen Kindes für eine beschränkte Übergangszeit zu sichern und darf nicht für andere Zwecke verwendet werden (vgl. Art. 318 ff. ZGB). Die Auszahlung des Anteils Lohnnachgenuss der minderjährigen Tochter ist grundsätzlich auf das von der Kindesmutter (als Inhaberin des elterlichen Sorgerechts) angegebene Konto zu tätigen. Zweifelt der Arbeitgeber daran, ob die Ex-Frau als elterliche Sorgeberechtigte das Geld zweckgebunden verwendet oder doch eher für eigene Zwecke verprasst, nimmt er seine Verantwortung wahr, indem er die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde um Rat ersucht.
Wenn in der ersten Kategorie keine Berechtigten vorhanden sind, kommen jene Personen zum Zuge, denen gegenüber der Mitarbeitende tatsächlich eine Unterhalts- oder Unterstützungspflicht erfüllt hat (zweite Kategorie). Die vom verstorbenen Mitarbeitenden wahrgenommene Unterstützungspflicht kann gesetzlicher, vertraglicher sowie sittlicher/moralischer Natur sein. Nicht erforderlich ist, dass ein Gericht diese Verpflichtung festgelegt hat. Eine sittliche/moralische Unterstützungspflicht kann umschrieben werden als Pflicht, deren Einhaltung die Gesellschaft gemäss den geltenden Wertvorstellungen erwartet.
Stets muss jedoch eine irgendwie geartete Leistungspflicht zumindest sittlicher/moralischer Ausprägung bestanden haben. Die Tatsache einer Unterstützung alleine, z.B. aus Freigiebigkeit, begründet noch keinen Anspruch auf Lohnnachgenuss nach Art. 338 OR.
In die zweite Kategorie der Anspruchsberechtigten gehören etwa: Volljährige Kinder, geschiedene Ehegatten, nichteheliche Lebenspartner/in sowie dessen/deren Kinder, Eltern, Grosseltern, Geschwister und Schwiegereltern oder auch eine langjährige Hausangestellte.
Antwort: Wenn der verstorbene Mitarbeitende seiner Mutter gegenüber seine Unterstützungspflicht wahrgenommen hat, dann gehört die Mutter zu den anspruchsberechtigten Personen innerhalb der zweiten Kategorie.
Dem Gesetz lässt sich nicht entnehmen, wie die Teilung vorzunehmen ist, wenn innerhalb der ersten oder innerhalb der zweiten Kategorie mehrere anspruchsberechtigte Personen vorhanden sind.
Die Rechtslehre ist sich namentlich nicht einig, ob es auch innerhalb des ersten Kreises eine Rangordnung gibt: Ein Teil der Lehre geht von einer Rangfolge zwischen Ehegatten bzw. eingetragenem Partner und minderjährigen Kindern aus. Dies hätte zur Folge, dass die Kinder nur anspruchsberechtigt sind, sofern kein Ehegatte bzw. kein/e eingetragene/r Partner/in vorhanden ist. Die Gerichte haben diese Frage, soweit ersichtlich, bis anhin nicht geklärt. Unserer Ansicht nach sind, da es für eine Rangordnung an einer klaren gesetzlichen Grundlage fehlt und sich nach dem Gesetzeswortlaut die Subsidiarität auf das Verhältnis zwischen den beiden Kreisen bezieht, sowohl der Ehegatte als auch die minderjährigen Kinder anspruchsberechtigt. Mit der wohl herrschenden Rechtslehre ist deshalb davon auszugehen, dass bei mehreren Berechtigten innerhalb der gleichen Kategorie (erste oder zweite Kategorie) der Lohnnachgenuss nach Köpfen zu teilen ist.
Antwort: Vorliegend sind nach dem Gesagten sowohl die Ehefrau als auch die Tochter anspruchsberechtigt. Die Auszahlung des Anteils Lohnnachgenuss der minderjährigen Tochter ist grundsätzlich auf das von der Mutter, als Inhaberin des elterlichen Sorgerechts, angegebene Konto auszubezahlen (siehe Ausführungen dazu oben).
Diejenige Person, die einen Anspruch auf den Lohnnachgenuss erhebt, hat das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen, insbesondere aber ihre Berechtigung und ihren Kopfanteil nachzuweisen. Dies entspricht der allgemeinen Beweislastregel gemäss Art. 8 ZGB, wonach derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen hat, der aus ihr Rechte ableitet. Daraus folgt unseres Ermessens, dass es nicht Aufgabe des Arbeitgebers sein kann, entsprechende Abklärungen zu tätigen; zumal solche Abklärungen ihm auch kaum zumutbar wären.
Insbesondere wenn keine Personen der ersten Kategorie vorhanden und die Verhältnisse insgesamt eher unklar sind, ist dem Arbeitgeber zur Zurückhaltung zu raten. So sollte er sich vorgängig immer entsprechende Unterlagen vorlegen lassen, aus welchen sich der Anspruch schlüssig ergibt. Z.B. das Scheidungsurteil, soweit es um den nachehelichen Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten gegenüber dem verstorbenen Ehegatten geht.
Im Streitfall müsste die anspruchserhebende Person vor Gericht den Beweis führen, dass die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen.
Nein, der Lohnnachgenuss ist auf ein von der anspruchsberechtigten Person bezeichnetes Bankkonto zu überweisen.
Grund: Anders als bei den Ansprüchen des verstorbenen Mitarbeitenden, die im Todeszeitpunkt bereits entstanden, aber noch nicht erfüllt wurden, steht der Anspruch auf Lohnachgenuss im Sinne von Art. 112 OR direkt den berechtigten Personen gegenüber dem Arbeitgeber zu.
Dieser Anspruch ist vom Erbrecht losgelöst. Der Anspruch auf Lohnnachgenuss steht deshalb einer nach Art. 338 Abs. 2 OR berechtigte Person auch dann zu, wenn diese die Erbschaft ausgeschlagen hat. Aus diesem Grund erfüllt ein Arbeitgeber, welcher den Lohnnachgenuss auf das Lohnkonto des verstorbenen Mitarbeitenden überweist, seine rechtliche Pflicht grundsätzlich nicht, da der Lohnnachgenuss so im Ergebnis in die Erbmasse fallen würde.
Reminder: Beim Lohn bis und mit Todeszeitpunkt (inkl. allfälligem anteiligem 13. Monatslohn), Gratifikation, Zulagen und Zuschlägen, Auslagenersatz, etc., handelt es sich um Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis: Soweit diese nicht höchstpersönlicher Natur sind, sind diese auf das Lohnkonto des verstorbenen Mitarbeitenden auszubezahlen. Anders als der Lohnnachgenuss fallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis in die Erbmasse.
Mit dem Tod des Mitarbeitenden endet das Arbeitsverhältnis. Da mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses alle Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis fällig werden (siehe Art. 339 OR) tritt die Fälligkeit des Lohnnachgenusses mit dem Tod des Mitarbeitenden ein. Umfasst der Lohnnachgenuss zwei Monatslöhne, werden beide Monatslöhne mit dem Tod gleichzeitig fällig.
Obwohl es sich beim Anspruch auf Lohnnachgenuss nicht um einen eigentlichen Lohnanspruch handelt, wird in der Rechtslehre mehrheitlich die Meinung vertreten, dass der Anspruch auf Lohnnachgenuss gemäss Art. 128 Ziff. 3 OR innert fünf Jahren seit dem Todestag verjährt.
Die Berechnung erfolgt nach den gleichen Regeln wie beim Lohnfortzahlungsanspruch gemäss Art. 324a OR. So sind namentlich auch Lohnbestandteile wie der 13. Monatslohn, Provisionen, Naturallohn, sowie regelmässig wiederkehrende Zulagen wie etwa Nacht-, Sonntags- und Schichtzulagen zu berücksichtigen. Nicht zu berücksichtigen sind Bestandteile ohne Lohncharakter wie z.B. echte Pauschalspesen.
Da der Lohnnachgenuss kein eigentliches Erwerbseinkommen darstellt und somit kein AHV-pflichtiger Lohn vorliegt, müssen keine Sozialversicherungsbeiträge entrichtet werden (vgl. Art. 8 Bst. c AHVV). Der Bruttobetrag wird ohne Abzüge ausbezahlt.
Die anspruchsberechtigten Hinterbliebenen müssen den Lohnnachgenuss in der Steuererklärung zusammen mit dem übrigen Einkommen deklarieren. Der Arbeitgeber muss deshalb für die begünstigte Person eine separate Rentenbescheinigung ausstellen, in welcher unter Ziffer 4 (Kapitalleistungen) der Betrag mit dem Vermerk "Lohnnachgenuss" ausgewiesen wird. Als Lohnperiode ist derjenige Monat anzugeben, in welchem der Lohnnachgenuss ausbezahlt wurde. Es muss für jeden einzelnen Anspruchsberechtigten eine separate Rentenbescheinigung ausgefüllt werden.
Die Bestimmung gehört zu den sog. relativ zwingenden Bestimmungen gemäss Art. 362 OR. Somit kann nur zugunsten des Mitarbeitenden von Art. 338 OR abgewichen werden. Möglich wäre daher etwa eine vertragliche Regelung, welche eine Verlängerung der Dauer des Lohnnachgenusses (z.B. nach fünfjähriger Dienstdauer drei Monate statt den gesetzlichen zwei Monaten), eine Ausweitung des Kreises der Berechtigten durch Aufnahme weiterer Personen oder eine Herabsetzung der anspruchsbegründenden Dienstdauer (z.B. Anspruch auf Lohnnachgenuss in der Höhe von zwei Monaten bereits nach dreijähriger Dienstdauer) vorsieht.
Im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Tod eines Mitarbeitenden sind in der Praxis einige wesentlichen Aspekte zu berücksichtigen, damit der Arbeitgeber im Todesfall rechtssicher vorgehen und den Anspruchsberechtigten professionell begegnen kann: Mit dem Tod des Mitarbeitenden wird das Arbeitsverhältnis aufgelöst. Die Anspruchsberechtigten gemäss Art. 338 Abs. 2 OR haben einen direkten Anspruch auf Lohnnachgenuss gegenüber dem Arbeitgeber, der nicht dem Erbrecht unterliegt und nicht sozialversicherungspflichtig ist. Es besteht eine Rangfolge der Anspruchsberechtigten, wobei Anspruchsberechtigte der zweiten Kategorie nur zum Zuge kommen, wenn in der ersten Kategorie keine Anspruchsberechtigten vorhanden sind. Bei mehreren Anspruchsberechtigten innerhalb der gleichen Kategorie ist der Lohnnachgenuss nach Köpfen aufzuteilen.
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