Fristlose Entlassung

Jeu, 2 août 2001

Fristlose Entlassung

Gestützt auf OR 328, wonach der Arbeitgeber die Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu achten und zu schützen hat, kann es unter Umständen nicht nur gerechtfertigt, sondern geradezu geboten sein, einen Mitarbeiter fristlos zu entlassen, der einen Arbeitskollegen verbal mit einer Todesdrohung angegriffen hat. Dies hat das Bundesgericht im Urteil 4C.47/2001 vom 11. Mai 2001 entschieden.

Wichtiger Grund

Aus wichtigen Gründen kann der Arbeitgeber wie der Arbeitnehmer jederzeit das Arbeitsverhältnis fristlos auflösen. Als wichtiger Grund gilt namentlich jeder Umstand, bei dessen Vorhandensein dem Kündigenden nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden darf. Über das Vorhandensein solcher Umstände entscheidet der Richter nach seinem Ermessen (OR 337). Eine fristlose Entlassung ist nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung nur bei besonders schweren Verfehlungen des Arbeitnehmers gerechtfertigt oder wenn weniger schwere Verfehlungen trotz erfolgter Verwarnung wiederholt vorgekommen sind. Dabei muss das Fehlverhalten einerseits objektiv geeignet sein, die für das Arbeitsverhältnis wesentliche Vertrauensgrundlage zu zerstören oder zumindest so tiefgreifend zu erschüttern, dass dem Arbeitgeber die Weiterführung des Vertrages nicht mehr zuzumuten ist. Anderseits muss das Fehlverhalten auch tatsächlich zu einer derartigen Zerstörung oder Erschütterung des gegenseitigen Vertrauens geführt haben (BGE 116 II 150 E. 6a).

Arbeitnehmer greift Arbeitskollegen an

Dem eingangs zitierten Entscheid des Bundesgerichts liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Zwischen zwei Mitarbeitern ist es sehr häufig (gemäss einem Zeugen bis zu zweimal pro Tag) zu Streitigkeiten gekommen. Dabei hatte ein Arbeitnehmer einen Kollegen am Arbeitsplatz verschiedentlich beleidigt, 1997 sogar tätlich und am 24. April 1998 verbal mit einer Todesdrohung angegriffen. Daraufhin bat der Angegriffene die Polizei um Hilfe.

Wenn ein Arbeitnehmer einen Kollegen ernsthaft in seiner Persönlichkeit angreift, beispielsweise mit verbalen Drohungen, verletzt er in schwerer Weise die vertraglich geschuldete Sorgfalts- und Treuepflicht (OR 321a), so dass eine fristlose Entlassung geboten sein kann. Dies ist die einhellige Lehrmeinung und wird auch von der Rechtsprechung stillschweigend anerkannt. Entsprechend hat der Arbeitgeber seine Verantwortung zum Schutz der anderen Mitarbeiter wahrzunehmen und angemessene Massnahmen zu treffen.

Gemäss Bundesgericht ist die Schwere des Angriffs zu messen an den Auswirkungen auf die Persönlichkeit des betroffenen Arbeitnehmers unter Berücksichtigung aller Umstände und insbesondere der vorausgegangenen Ereignisse. Die Wirkung des Fehlverhaltens auf den Arbeitgeber ist nicht entscheidend, da dieser nur indirekt betroffen ist. Auch wenn der Arbeitgeber, entgegen seinen Verpflichtungen nach OR 328, auf die Verfehlung nicht reagiert und untätig bleibt, hat dies keinen Einfluss auf die Beurteilung der Schwere des Angriffs.

Die kantonale Instanz hatte die fristlose Entlassung als ungerechtfertigt beurteilt, da der Arbeitgeber auf frühere Angriffe, welche teilweise schwerer waren als derjenige, der schliesslich zur fristlosen Entlassung führte, nicht reagiert und keine Verwarnungen ausgesprochen hatte. Der Vorfall vom 24. April 1998 habe das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht zerstören oder so tiefgreifend erschüttern können, dass eine Fortführung des Vertrages bis zum nächsten Kündigungstermin nicht zumutbar gewesen wäre.

Gemäss Bundesgericht kann der Beurteilung der kantonalen Instanz nicht gefolgt werden, denn die Todesdrohung ist im Gesamtzusammenhang zu sehen. Bereits seit längerer Zeit verhielt sich der Täter dem Opfer gegenüber in unzulässiger Art und Weise, es gab täglich Streitigkeiten, es kam zu Beleidigungen und sogar zu einer Tätlichkeit. Unter diesen Umständen war die Todesdrohung vom betroffenen Arbeitnehmer nicht als Scherz aufzufassen und es ist deshalb verständlich, dass dieser die Polizei um Hilfe bat. Obwohl die Polizei ihren Einsatz als nicht gerechtfertigt betrachtete, waren die Äusserungen für das Opfer unter den gegebenen Umständen doch besonders beunruhigend. Schliesslich kann auch aus der Tatsache, dass der betroffene Arbeitnehmer keine Strafklage einreichte, nicht geschlossen werden, dass die Verfehlung nicht schwerwiegend war.

Das Bundesgericht kam unter den genannten Umständen zu folgendem Schluss: Die Verfehlung vom 24. April 1998 ist schwerwiegend und die Persönlichkeit des Arbeitskollegen wurde verletzt. Der Arbeitgeber war deshalb berechtigt, das Vertrauensverhältnis mit diesem Arbeitnehmer als zerstört zu betrachten und ihn, sogar ohne vorgängige Verwarnung, fristlos zu entlassen.

Empfehlung

Oft ist es heikel, beurteilen zu können, ob ein wichtiger Grund vorliegt, der eine fristlose Entlassung rechtfertigt. Da die Auswirkungen im Falle einer ungerechtfertigten fristlosen Entlassung gravierend sein können, lohnt es sich, gut darüber nachzudenken und vorgängig die Meinung eines juristischen Beraters einzuholen. Zudem ist darauf zu achten, dass die fristlose Kündigung "unverzüglich" ausgesprochen wird, sobald der wichtige Grund bekannt ist. Was noch als "unverzügliche" Kündigung gelten kann, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Das Bundesgericht gesteht natürlichen Personen im allgemeinen nur eine kurze Überlegungsfrist von zwei bis drei Arbeitstagen zu. Bei juristischen Personen kann diese Frist allenfalls aufgrund einer umständlicheren Entscheidfindung ein paar Tage länger dauern.


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