Immer wieder kommt es vor, dass Arbeitnehmer am Ende des Arbeitsverhältnisses noch die Bezahlung angeblich geleisteter Überstunden fordern. Ein allfälliger Anspruch setzt jedoch voraus, dass der Arbeitnehmer die Leistung von Überstunden beweisen kann. Zudem hat er nachzuweisen, dass diese angeordnet oder betriebsnotwendig waren. Und schliesslich hat der Arbeitnehmer diese dem Arbeitgeber innert nützlicher Frist anzuzeigen, falls er Überstunden ohne Wissen des Arbeitgebers geleistet hat.
Der Arbeitnehmer ist nach Art. 321c OR unter gewissen Voraussetzungen verpflichtet, mehr Arbeit zu leisten als vertraglich vereinbart, üblich oder durch Normalarbeitsvertrag (NAV) oder Gesamtarbeitsvertrag (GAV) bestimmt ist. Die Leistung von Überstunden muss einerseits notwendig sein und andererseits muss sie der Arbeitnehmer zu leisten vermögen und sie müssen ihm nach Treu und Glauben zugemutet werden können. Sind diese Voraussetzungen gegeben, hat er Überstunden zu leisten, die der Arbeitgeber anordnet oder die betriebsnotwendig sind und von ihm aufgrund seiner Funktion ohne Anordnung erwartet werden.
Ist nichts anderes schriftlich vereinbart oder durch NAV oder GAV bestimmt, so sind Überstunden zu bezahlen, und zwar mit einem Zuschlag von 25% (Art. 321c Abs. 3 OR). Im Einverständnis mit dem Arbeitnehmer kann der Arbeitgeber die Überstunden innert eines angemessenen Zeitraums durch Freizeit von gleicher Dauer ausgleichen. Dieses Einverständnis kann auch stillschweigend sein. Auch in Bezug auf den konkreten Zeitpunkt der Kompensation braucht es in der Regel das Einverständnis beider Vertragsparteien (s. auch Artikel «Kompensation von Überstunden»).
Dahingehend ist es empfehlenswert, betreffend Überstunden eine schriftliche Vereinbarung zu treffen und so etwa in den Anstellungsbedingungen festzuhalten, dass der Arbeitgeber den genauen Zeitpunkt der Kompensation festlegt oder auch dass die Auszahlung ohne Zuschlag erfolgt.
Nach Art. 8 ZGB hat der Arbeitnehmer zu beweisen, dass er Überstunden geleistet hat und zudem dass diese vom Arbeitgeber angeordnet worden sind oder für die Wahrung der berechtigten Interessen des Arbeitgebers notwendig waren. Leistet der Arbeitnehmer Überstunden ohne Wissen des Arbeitgebers, hat er diese dem Arbeitgeber innert nützlicher Frist anzuzeigen, so dass der Arbeitgeber organisatorische Massnahmen zur Verhinderung künftiger Mehrarbeit vorkehren oder die Überstunden genehmigen kann. Mangels Anzeige riskiert der Arbeitnehmer, ausser unter besonderen Umständen, den Verlust seines Entschädigungsanspruchs. Hat der Arbeitgeber keine Kenntnis über notwendige Mehrarbeit und muss er nach den Umständen auch keine haben, spricht einiges dafür, die vorbehaltlose Entgegennahme des üblichen Lohns sinngemäss als Verzicht auf Entschädigung für allfällig geleistete Überstunden zu verstehen. Ein entsprechendes Interesse des Arbeitgebers an sofortiger Information ist jedoch nicht erkennbar, wenn er aufgrund der Umstände hinreichende Anhaltspunkte dafür hat, dass die vereinbarte Arbeitszeit zur Erledigung der übertragenen Aufgaben nicht ausreicht. Falls der Arbeitgeber nach den Umständen mindestens im Grundsatz erkennen muss, dass Überstunden im Sinne von Art. 321c OR erforderlich sind, so kann er entsprechende organisatorische Vorkehren treffen und es ist ihm – sofern er den genauen Umfang der geleisteten Überstunden kennen will – zuzumuten, sich diesbezüglich zu erkundigen. Tut er dies nicht, darf der Arbeitnehmer in gutem Glauben davon ausgehen, dass die zusätzlichen Stunden genehmigt sind, auch ohne nachzuweisen, dass sie zur Erledigung der Arbeit notwendig waren. Wenn der Arbeitnehmer von der Kenntnis des Arbeitgebers über die Notwendigkeit von Überstunden ausgehen darf, braucht er nicht bereits in der ersten Lohnperiode deren konkreten Umfang zu benennen. Vielmehr darf er mit der Angabe des Umfangs der Mehrarbeit zuwarten, bis eine Aussage darüber möglich ist, ob und in welchem Umfang längerfristig ein zusätzlicher Zeitbedarf für die Bewältigung der ihm übertragenen Aufgaben besteht. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Möglichkeit eines zeitlichen Ausgleichs für die geleisteten Überstunden besteht oder ein Ausgleich durch Freizeit vertraglich vereinbart ist.
Der Arbeitnehmer muss aber nicht nur nachweisen, dass er Überstunden im Sinne von Art. 321c OR geleistet hat, sondern auch deren Anzahl, die er entschädigt haben will. Ist es nicht möglich, die genaue Anzahl zu bestimmen, kann der Richter durch analoge Anwendung von Art. 42 Abs. 2 OR eine Schätzung vornehmen. Diese Beweiserleichterung befreit aber den Arbeitnehmer nicht davon, dem Richter alle Anhaltspunkte für die Bestimmung der Anzahl geleisteter Überstunden soweit als möglich und zumutbar zu liefern.
Ein Ehepaar beschäftigte zwei Personen, einen Mann als Hauswart und dessen Ehegattin als Haushälterin. Nachdem den beiden Arbeitnehmenden gekündigt worden war, machten beide unter anderem noch die Bezahlung von Überstundenentschädigungen geltend. Die erste Instanz verurteilte das arbeitgebende Ehepaar unter anderem zur Bezahlung von Überstundenentschädigungen in der Höhe von rund 52‘000 Franken an den Hauswart bzw. von rund 35‘000 Franken an die Haushälterin. Die zweite Instanz verneinte hingegen jegliche Ansprüche auf Überstundenentschädigung. In beiden Fällen war unbestritten, dass keine Überstunden angeordnet waren. Zudem wusste das arbeitgebende Ehepaar nicht, und musste auch nicht wissen, dass Überstunden geleistet worden waren. Die Leistung von Überstunden konnte die Haushälterin jedoch nachweisen, indem eine andere bei diesem Ehepaar angestellte Haushälterin die Überstunden bezeugte. Da zwischen diesen beiden Haushälterinnen kein hierarchisches Verhältnis vorlag, musste jedoch jene das arbeitgebende Ehepaar nicht darüber informieren. Gemäss Bundesgericht hätte die Haushälterin das arbeitgebende Ehepaar direkt über ihre geleisteten Überstunden informieren müssen. Auch der Hauswart hatte das arbeitgebende Ehepaar nicht über seine geleisteten Überstunden informiert und es war nicht nachgewiesen, dass dieses anderweitig davon hätte Kenntnis haben sollen. Somit kam das Bundesgericht zum gleichen Schluss wie die zweite Instanz, nämlich dass sowohl der Hauswart als auch die Haushälterin keinen Anspruch auf Überstundenentschädigung haben.
Dem vorliegenden Fall lag die Forderung einer landwirtschaftlichen Arbeitnehmerin auf Entschädigung von Überstunden zugrunde. Das Bundesgericht bestätigte die Feststellung der Vorinstanz, wonach die Arbeitnehmerin ihren Lohn während vieler Jahre vorbehaltlos akzeptiert und ihre Überstunden erst nach ihrer Kündigung gemeldet hatte. Dies lässt ihren Anspruch missbräuchlich erscheinen. Die Arbeitnehmerin machte geltend, dass die Nichtmeldung der Überstunden keine Rolle spielt, da der Arbeitgeber von den Überstunden Kenntnis hatte. Das Bundesgericht liess diesen Einwand nicht gelten. Selbst wenn der Arbeitgeber von der Notwendigkeit einer bestimmten Anzahl von Überstunden gewusst hätte, würde dies die Arbeitnehmerin nicht von ihrer Meldepflicht entbinden. Dies würde sie lediglich davon befreien, ihre genauen Überstunden zeitnah zu beziffern. Sie durfte jedoch nicht mehrere Jahre abwarten und erst 2021 pauschal 2’572 Überstunden seit 2015 geltend machen, ohne zuvor jemals einen Teil davon erwähnt zu haben. Das Bundesgericht lehnte den Anspruch der Arbeitnehmerin auf Überstundenvergütung ab.
Will der Arbeitgeber nicht, dass Überstunden geleistet werden und er diese bezahlen oder kompensieren lassen muss, hat er dem Arbeitnehmer klar mitzuteilen, dass dieser seine Aufgaben in der vereinbarten Arbeitszeit zu erledigen hat und keine Überstunden toleriert werden. Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn er Kenntnis von geleisteten Überstunden hat oder haben müsste.
Choisir une catégorie: