Lun, 2 juin 2025
Ein Mitarbeiter kommt aus den Ferien zurück und legt dem Arbeitgeber ein Arztzeugnis vor, welches eine Krankschreibung von zwei Tagen während der Dauer der Ferien attestiert. Hat er dem Mitarbeiter diese beiden Ferientage nachzugewähren?
In der Praxis müssen gewisse Voraussetzungen erfüllt sein, damit sich eine Arbeitsunfähigkeit auf den Ferienbezug auswirkt. Im Folgenden werden diese ausgeführt.
Ferien dienen dem Zweck der Erholung des Mitarbeiters. Während der Ferienzeit muss er vom Berufsstress und den beruflichen Verpflichtungen abschalten können, so dass er sich physisch und psychisch erholen kann. Dies hat u.a. zur Folge, dass der Mitarbeiter während seinen Ferien frei über seine Zeit verfügen kann, d.h. grundsätzlich selbst entscheiden kann, wie er den Erholungszweck erreicht. Eine Grenze wird ihm jedoch durch Art. 329d Abs. 3 OR gesetzt, der es ihm verbietet, während der Dauer der Ferien eine entgeltliche Arbeit für Dritte zu verrichten, wenn dies die berechtigten Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigt. Die berechtigten Interessen des Arbeitgebers werden insb. dann tangiert, wenn der Mitarbeiter einer Tätigkeit nachgeht, die den Arbeitgeber konkurrenziert oder wenn die Tätigkeit eine derartige Verfügbarkeit und Anstrengung des Mitarbeiters erfordert, dass sie dessen Erholung verunmöglicht. Liegt ein solcher Fall vor, kann der Arbeitgeber den Ferienlohn verweigern oder diesen zurückverlangen, wenn er bereits ausbezahlt wurde.
Wenn sich der Mitarbeiter während den Ferien nicht erholen kann, müssen die betreffenden Ferientage grundsätzlich nachgewährt werden.
Es gilt jedoch zunächst zwischen Arbeitsunfähigkeit und Ferienunfähigkeit zu unterscheiden. Denn Arbeitsunfähigkeit bedeutet nicht automatisch Ferienunfähigkeit. Ein Mitarbeiter kann trotz einer vorliegenden Arbeitsunfähigkeit ferienfähig sein. Nur wenn der Gesundheitszustand tatsächlich die Erholung verunmöglicht und der Zweck der Ferien damit vereitelt wird, liegt eine Ferienunfähigkeit vor, die zum Nachbezug der Ferien berechtigt.
Dies bedeutet, dass ein Mitarbeiter grundsätzlich auch während einer Arbeitsunfähigkeit Ferien beziehen kann. Eine leichte körperliche Verletzung wie bspw. ein verstauchter Knöchel oder ein gebrochener Finger verhindern den Erholungszweck in der Regel nicht, auch wenn der Mitarbeiter möglicherweise nicht die geplanten Ferienaktivitäten ausüben kann. Denn die Erholung wird grundsätzlich auch dann gewährleistet, wenn der Mitarbeiter wegen einem verstauchten Knöchel den geplanten Marathonlauf in Zürich nicht bestreiten kann und lediglich seine Laufkollegen am Rande der Strecke anfeuert. Er wird sich also nicht auf den verstauchten Knöchel berufen können, um Ferientage nachbeziehen zu können. Das einzige entscheidende Kriterium bei der Frage, ob die Ferien nachzugewähren sind, ist, ob der Erholungszwecks während den Ferien insgesamt erreicht wurde oder nicht. Im Gegenzug können schwerwiegendere körperliche Beschwerden, wie bspw. dauernde Schmerzen, Depression, Bettlägerigkeit, Isolation oder Quarantäne, stark eingreifende medizinische Behandlungen o.Ä. dazu führen, dass der Erholungszweck verunmöglicht wird und Ferien nachzugewähren sind.
Ein weiterer zu berücksichtigender Faktor ist die Dauer der Arbeitsunfähigkeit im Verhältnis mit der Dauer der Ferien. In der Regel reicht eine zwei- oder dreitägige Gesundheitsbeeinträchtigung nicht aus, um bei einer zweiwöchigen Feriendauer den Erholungszweck zu vereiteln. In diesem Fall wären beide Ferienwochen als bezogen zu betrachten und somit auch im Zeiterfassungssystem abzubuchen. Wenn wiederum bei der gleichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit die Ferien nur eine Woche dauern würden, wäre gegebenenfalls eine andere Betrachtung angebracht.
Das bedeutet, dass im Einzelfall jeweils eine Gesamtbetrachtung vorgenommen werden muss, um beurteilen zu können, ob die Arbeitsunfähigkeit der Erholung insgesamt entgegenstand bzw. den Ferienbezug verunmöglichte.
Gemäss unserer Auffassung gibt es keine teilweise Ferienfähigkeit: Ferien können nur ganz oder gar nicht bezogen werden; dies im Gegensatz zur Arbeitsunfähigkeit, welche auch nur teilweise vorliegen kann. Konkret bedeutet dies, wenn ein Arztzeugnis eine teilweise Arbeitsunfähigkeit attestiert (z.B. von 50%), dass der Mitarbeiter dabei entweder ganz oder gar nicht ferienfähig ist. Ist er ferienfähig, sind ihm die Ferien voll anzurechnen; sein Ferienanspruch verlängert sich nicht auf das Doppelte. Ist er hingegen nicht ferienfähig, sind ihm die Ferien grundsätzlich zu verweigern. Dies wird nachfolgend anhand eines Beispiels verdeutlicht:
Ein Vollzeitmitarbeiter ist vom 26. bis 30. Mai 2025 zu 50% krankgeschrieben. Das Arztzeugnis vermerkt neben der Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters, dass die Ferienfähigkeit gegeben ist.
Der Mitarbeiter hat genau während dieser Woche Ferien geplant. Kann er diese beziehen?
Ja, der Mitarbeiter ist zwar teilarbeitsunfähig, aber ferienfähig. Daher kann er – trotz der Teilarbeitsunfähigkeit – seine Ferientage voll beziehen. Im Zeiterfassungssystem wird also nicht 50% auf «Krankheit» verbucht und 50% auf «Ferien», sondern die ganzen 5 Arbeitstage werden auf «Ferien» verbucht.
Ist der Mitarbeiter jedoch ferienunfähig, so hat der Arzt beurteilt, dass aufgrund der vorliegenden Arbeitsunfähigkeit die körperliche und geistige Erholung nicht möglich ist. In diesem Fall hat der Mitarbeiter das Recht, seine Ferientage zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen und muss während der Dauer der ursprünglich geplanten Ferien seine Arbeitsleistung im Rahmen seiner Arbeitsfähigkeit erbringen.
Wie bereits angetönt ist die Frage, ob ein Mitarbeiter trotz der vorliegenden (teilweise) Arbeitsunfähigkeit ferienfähig ist oder nicht, von medizinischer (und nicht rechtlicher) Natur und ist vom behandelnden Arzt zu beurteilen. Wenn also ein Mitarbeiter während einer Krankschreibung Ferien beziehen möchte, wird dem Arbeitgeber geraten, sich vorgängig ein ärztliches Zeugnis vorlegen zu lassen, welches die Ferienfähigkeit des Mitarbeiters bestätigt. Ansonsten riskiert der Arbeitgeber, dass er die Ferien nachgewähren und somit doppelt bezahlen muss.
Wenn ein Mitarbeiter während seinen Ferien bspw. erkrankt oder verunfallt und beim Arbeitgeber die Nachgewährung dieser Ferientage beantragt, muss er nachweisen, dass er tatsächlich nicht in der Lage war, sich zu erholen und der Ferienzweck somit nicht erfüllt wurde. Andernfalls verliert er seinen Anspruch auf Nachgewährung der betreffenden Ferientage.
In der Regel wird dieser Nachweis durch das Vorlegen eines Arztzeugnisses erbracht. Da eine Arbeitsunfähigkeit nicht zwingendermassen die Erholung verunmöglicht, sollte der Arbeitgeber genau hinschauen, ob das ärztliche Zeugnis sich auch zur Ferien(un)fähigkeit äussert. Bestätigt das Arztzeugnis, dass eine Ferienunfähigkeit vorliegt, so sind die Ferien dem Mitarbeiter grundsätzlich nachzugewähren. Umgekehrt ist zudem klarzustellen, dass Ferienunfähigkeit nicht gleichbedeutend mit Arbeitsunfähigkeit ist. Ist der Mitarbeiter ferienunfähig, aber (teilweise) arbeitsfähig, kann der Arbeitgeber von ihm verlangen, dass er seine Arbeitsleistung unverzüglich entsprechend wieder aufnimmt.
Schliesslich wird auf die Treuepflicht des Mitarbeiters hingewiesen, aufgrund welcher dieser verpflichtet ist, den Arbeitgeber unverzüglich zu informieren, wenn er während den Ferien erkrankt oder verunfallt und dadurch der Erholungszweck der Ferien vereitelt wird. Für Arbeitgeber zu beachten ist jedoch, dass ein Mitarbeiter seinen Anspruch auf Nachgewährung der Ferien nicht lediglich dadurch verliert, dass er die Ferienunfähigkeit verspätet beweist.
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